Hat die Wissenschaft Gott begraben?

„Der Feind Gottes ist die Wissenschaft, denn sie entlarvt, was wirklich hinter dem Glauben steht.“ So oder so ähnlich denken heute nicht wenige Menschen. Und die Sorge ist ja ganz berechtigt: Kann man als Teilnehmer des 21. Jahrhunderts noch ernsthaft an so jemanden wie Gott glauben? Gehen wir der Sache nach.

Wissenschaft2© xixinxing - Fotolia.comIn seinem Buch „Der Gotteswahn“ vertritt Richard Dawkins z. B. die These, dass es keinen Gott geben könne, da die meisten Wissenschaftler heutzutage nicht gläubig sind. So behauptet er zumindest. Aber selbst wenn das wahr wäre und die Mehrheit aller Wissenschaftler nicht an Gott glauben würde: Was sagt uns das über die Existenz Gottes? Die Antwort ist einfach: nichts. Warum auch?

Dawkins gibt aber noch ein weiteres Argument gegen Gott, er sagt: „Der Glaube an Gott ist ein Produkt der Evolution.” So darf man ja denken, aber schauen wir uns diesen Einwand einmal genauer an: Im Grunde erklärt er nur, warum Menschen an Gott glauben, wenn es ihn nicht gibt. Er beantwortet aber nicht die Frage, ob es ihn denn gibt. Hier wird einfach vorausgesetzt, dass er nicht existiert. Das ist aber kein wirklich gutes Argument gegen Gott. Sicher, man kann für sich den Entschluss fassen, dass es Gott nicht gibt und auf dieser Vorannahme seine weiteren Gedanken aufbauen. Es dürfte aber klar sein, dass dies nichts weiter ist als eine subjektive Entscheidung – sozusagen eine philosophische Prämisse, die man für sich getroffen hat.

Aber selbst wenn das mit der Evolution stimmt, was sagt uns das über die Existenz Gottes? Auch hier ist die Antwort simpel: nichts. Die Evolutionstheorie will bloß beschreiben, wie sich das Leben auf der Erde entwickelt hat. Und das sagt eben nichts über die Existenz Gottes aus. Es könnte ja sogar einen Gott geben, der dahinter steht und das Ganze „anschiebt“. Oder es könnte ein Gott sein, der einfach zuschaut – wie bei einer Art Experiment. Der sich sagt: „Lassen wir das Ganze sich mal entwickeln und schauen zu.“ Nicht wenige Christen gehen übrigens im Sinne einer „theistischen Evolution“, die die vollständige Richtigkeit aktueller Ergebnisse biologischer, kosmologischer, physikalischer wie geologischer Forschung postuliert, genau davon aus.

Aber auch Christen, die die Bibel wörtlich nehmen, sind nicht zwangsläufig auf ein Erdalter von 6.000 Jahren festgelegt; es bleibt eben ein Missverständnis, dass alle kreationistisch denkenden Christen so denken. Nein, im Rahmen des weit verbreiteten „progressiven Kreationismus“ werden die meisten wissenschaftlichen Erkenntnisse sogar akzeptiert, z.B. das Alter des Universums von 13,7 und das Erdalter von 4,6 Milliarden Jahren. Lediglich der Möglichkeit evolutionärer Großübergänge, die über Artgrenzen hinaus stattfinden, wird (vornehmlich wissenschaftlich begründet) skeptisch begegnet. Veränderungen aufgrund von Mutationen, Rekombinationen und Selektionsprozessen werden hingegen voll akzeptiert. In diesem Sinne wird ebenso davon ausgegangen, dass die ersten Menschen (Adam & Eva) vor rund 150.000 Jahren lebten.

Wir sehen: Selbst überzeugte Christen haben die Wissenschaft nicht zwangsläufig begraben. Nun kann man es sich einfach machen und sagen: „Naja, Christen, die ein modernes Erdentwicklungsmodell vertreten, sind eigentlich gar keine echten Christen.“ Nun, ich wäre da vorsichtig – würde sogar ganz frech behaupten, dass ein Vertreter einer 6-Tage-Schöpfung oder eines progressiven Kreationismus ebenso ein „waschechter“ Christ sein kann wie der, der davon ausgeht, dass Gott durch Evolution schuf. Warum? Weil Christsein nun einmal dadurch definiert ist, dass jemand eine persönliche und vertrauensvolle Beziehung zu Jesus/Gott hat. Die Erdentwicklung spielt da keinerlei Rolle.

Als ob es Gott nicht gäbe

Wir sollten uns außerdem immer wieder vor Augen führen, dass die Wissenschaft Gott nicht ausschließt, sondern vielmehr ausklammert. Sie arbeitet hier nach dem Prinzip des berühmten niederländischen Philosophen Hugo Grotius „Etsi deus non daretur [als ob es Gott nicht gäbe]“. Dieses Prinzip entstand vor dem Hintergrund des religiös motivierten Dreißigjährigen Krieges: Grotius fragte sich, wie eine Begründung für ein Naturrecht aussehen müsste, das unabhängig von theologischen Begründungen gelten kann, nämlich etsi deus non daretur. Wichtig ist, dass hier nicht behauptet wird, dass es Gott nicht gäbe. Nein, vielmehr verhält sich diese Position so, als wenn es ihn nicht gäbe.

Der Physiker Prof. Dr. Hans Peter Dürr, ehemaliger Direktor des Max-Planck-Instituts und Träger des alternativen Nobelpreises, beantwortet vor diesem Hintergrund die Frage: „Was hat die Wissenschaft mit der Wirklichkeit zu tun?“ wie folgt:

„Ein Mann sitzt am Ufer eines Flusses und fängt Fische. Ein Wanderer kommt vorbei und fragt ihn: »Was tust Du da?« »Ich fange Fische.« »Was kannst Du über die Fische aussagen?« »Sie sind alle mindestens 5 cm lang.« Der Wanderer lässt sich das Netz zeigen. Es hat Maschen mit einem Umfang von 5 cm. Daraufhin sagt er: »Wenn es kleinere Fische als 5 cm gäbe – und ich meine, solche gesehen zu haben -, so könntest du sie nicht fangen, sie würden durch dein Netz hindurch schlüpfen.« Darauf der Fischfänger mit Selbstbewusstsein: »Was ich nicht fangen kann, ist kein Fisch.«“

So arbeitet Wissenschaft – und das soll gar kein Vorwurf sein. Sie hat ein bestimmtes Netz und fängt damit bestimmte Fische. Anders formuliert: Sie stellt bestimmte Fragen und erhält daraufhin bestimmte Antworten. Wonach sie nicht fragt, darauf bekommt sie auch keine Antworten – wie etwa bei Dopingkontrollen: Da findet man (wenn überhaupt) auch nur die Substanzen, nach denen man gesucht hat. Nach Dürr gibt es darüber hinaus einige „Fische“, die man prinzipiell mit den Netzen der Wissenschaft nicht einfangen kann: z.B. Ästhetik, Moral oder eben auch Gott.

Die Frage nach der Beweisbarkeit

Und selbst der Blick in die Wissenschaftsgeschichte zeigt, dass die Existenz einer Sache nicht von ihrer Beweisbarkeit abhängt. Denken wir z.B. einmal an Atome oder die radioaktive Strahlung: Beides konnte man vor rund 200 Jahren nicht beweisen, aber heißt das, dass es vor 200 Jahren keine Atome oder radioaktive Strahlung gab? Es leuchtet sicherlich ein: Die Nicht-Beweisbarkeit von X sagt nichts über die Existenz von X aus. Wissenschaftliche Forschung ist natürlich eine großartige Hilfe, aber eben trotzdem nicht dazu in der Lage, auf alles eine Antwort zu geben. Es ist folglich nicht richtig zu sagen: „Weil Gott nicht beweisbar ist, kann es ihn nicht geben.“

Außerdem kommen Atheisten, die nur das annehmen, was auch wissenschaftlich beweisbar ist, ohnehin in logische
Probleme: Denn wenn eine Person denkt: „Ich gehe nur von dem aus, was ich auch beweisen kann“ und auch sagt: „Ich kann zwar nicht beweisen, dass es Gott nicht gibt – gehe aber trotzdem davon aus”, dann ist das widersprüchlich. Warum? Weil diese Person ja keine Beweise dafür geben kann, dass es Gott nicht gibt – trotzdem aber davon ausgeht. Zu dieser Schlussfolgerung dürfte sie aber gar nicht kommen, wenn sie dem (naturalistischen) Motto „Ich gehe nur von dem aus, was ich auch beweisen kann“ treu bleiben will. Sie dürfte maximal sagen, dass es weder Beweise für noch gegen Gott gibt. Die Wissenschaft hat Gott also ganz und gar nicht begraben.

„Moment!“, wenden einige nun ein: „Es kann auch keine Beweise gegen Gott geben, da Nicht-Existenz eben nicht bewiesen werden kann.“ Ich kann diesen Einwand zwar gut nachvollziehen, richtig ist er aber nicht. Denn Nicht-Existenz ist beweisbar, das lernt man bereits in den ersten Semestern Philosophie: „Die Nicht-Existenz von X ist bewiesen, wenn aus der Existenz von X ein Widerspruch folgt.“ Passende Beispiele wie ein „verheirateter Junggeselle“ finden sich hier problemlos. Zu sagen: „Man kann Gott deshalb nicht beweisen, weil (seine) Nicht-Existenz nicht bewiesen werden kann”, ist daher keine wissenschaftlich haltbare Aussage.

Aber natürlich reicht es am Ende auch nicht aus zu sagen, dass es keine Beweise gegen Gott gibt. Denn nur, weil es die nicht gibt, heißt es ja noch lange nicht, dass es ihn gibt. Ich finde es daher nur legitim, wenn jemand gute objektive Gründe für Gott fordert. Und die gibt es, aber wer naturwissenschaftliche Beweise fordert, muss leider enttäuscht werden. Das liegt aber nicht an der Existenz Gottes, sondern eher daran, dass die Wissenschaft gar keine Möglichkeit hat, ihn zu untersuchen. Wie wollte sie auch? Wie kann die Biologie, Physik oder Chemie Gott untersuchen? Er ist ja kein Gegenstand dieser Welt, den wir aus der Natur herausnehmen, untersuchen und dann nachweisen können. Nein, wenn Gott so ist, wie er von den allermeisten Religionen beschreiben wird, dann ist er ein Geistwesen – ein jenseitiges Wesen, das weder an Raum noch Zeit gebunden ist.

Es liegt im Grunde genommen auf der Hand, dass wir nur dann etwas über Gott sagen können, wenn er sich uns mitteilt. Wenn er Kontakt mit uns aufnimmt. Das ist übrigens auch genau das, was Christen behaupten: Gott hat sich uns offenbart – in der Person Jesus. Christen können Gott zwar nicht beweisen, ihm aber immerhin „nach-denken“, seine Spuren beobachten, die er hinterlassen hat. Diese Spuren kann man auch gerne als „objektive Argumente für Gott“ bezeichnen, denen man nachgehen kann. Vor einigen Jahren hat das ein recht prominenter Atheist sogar getan.

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