Suche nach dem Sinn des Seins

“Warum bin ich eigentlich und wozu?” Die Frage nach dem Sinn unserer Existenz ist wohl eine der ältesten Fragen der Menschheitsgeschichte, mit der sich jeder in seinem Leben konfrontiert sieht. Stefan Zorn hat sich auf die Suche nach dem Sinn des Seins gemacht.

Das Sein des Menschen

Die Frage nach dem Sinn ist geht den Menschen in seinem gesamten Sein an, mehr noch: Es ist die zentrale Frage unseres Lebens, denn sie ist das Alleinstellungsmerkmal des Menschen schlechthin! Tatsächlich ist es eine Frage, die uns Menschen von allen anderen Lebewesen unterscheidet. Die menschliche Existenz ist durch Endlichkeit, Unvollkommenheit und damit letztlich durch Abhängigkeit Grenzen unterworfen. Wir sind uns dieser Grenzen wohl bewusst und versuchen sie zu überschreiten. Das macht den Menschen zu einem transzendenten Wesen. Obwohl wir endlich, begrenzt und unvollkommen sind, so existieren Worte wie Unendlichkeit und Vollkommenheit in unserer Sprache und wir haben durchaus eine ungefähre Ahnung, was darunter zu verstehen ist.

All diese Feststellungen klingen banal, aber daraus ergibt sich die Schlussfolgerung, dass der Mensch nicht bei sich selbst stehen bleibt. Er sucht nach Antworten außerhalb seiner selbst und erahnt, dass es etwas geben muss, das er nicht fassen und erklären, sondern nur vermuten kann. In der Geschichte der Menschheit wird dieses Bewusstsein in Kunst, Musik und Religion erkennbar. In jeder Kultur lassen sich religiöse Kulte feststellen, bis heute sind es die Weltreligionen und religiösen Sondergemeinschaften, die Philosophie und verschiedene Ideologien, die alle darum bemüht sind die Welt in ihrer Komplexität und Ganzheit zu verstehen.

Aber auch Esoterik, Okkultismus und Astrologie geben scheinbar trotz gesamtgesellschaftlicher Aufklärung und Säkularisierung für viele Menschen Antworten auf ihre innere Sehnsucht. Jedoch bleibt die Frage, inwiefern diese Sehnsucht und Leere in uns ein Wegweiser zu dem sein kann, was unserem Leben Sinn, Wert und Bedeutung verleiht, oder ob diese Sehnsucht nicht vielmehr eine irreführende Illusion ist, die uns über die Sinnlosigkeit unseres Seins hinwegtrösten möchte.

Die Sinnlosigkeit des Seins

Angesichts des individuellen Leids, das keinen verschont, und des Todes als unausweichlichem Ende unserer Existenz stellt sich in der Tat die Frage, inwiefern unser Sein tatsächlich durch Bedeutung und Sinnhaftigkeit gekennzeichnet sein kann. Der antike Philosoph Philo von Alexandrien hat es auf den Punkt gebracht: „Wir sind Waise im Land ohne Morgen.“ Ohne Wissen darüber, wer wir sind, was wir hier sollen und ob mit dem Tod alles aus ist, bestreiten viele das Leben in entwurzelter Einsamkeit. Wir sehnen uns nach Liebe in dauerhaften Beziehungen, in denen wir Geborgenheit und Halt finden. Doch stattdessen sind wir getrieben von der Angst vor dem Alleinsein und dem Abgrund des Nichts. Die Überwindung von Angst und Einsamkeit muss in zwischenmenschlichen Beziehungen kompensiert werden, ohne sie könnten wir gerade am Anfang unseres Lebens nicht überleben. Und doch können auch Menschen keine letzte Verankerung und Identität im Leben sein, weil unsere Mitmenschen ebenso begrenzt sind wie wir. Als Grundkonstante unseres Lebens ist es jene Unendlichkeit und Vollkommenheit, die unserem Leben Antworten geben kann auf die Fragen nach Ursprung, Identität und Ziel unseres Seins. Dieses Vollkommene, das nicht erfasst, sondern nur erahnt werden kann, nennt  der religiöse Mensch Gott.

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Die Überraschung: Der Mut zum Sein

Dass es eine Vollkommenheit geben muss, nach der wir uns sehnen und die uns letzte Gewissheit über Ursprung und Ziel, Identität und Bedeutung unseres Lebens gibt, zeigt sich darin, dass wir diese tiefe Sehnsucht nach Vollkommenheit in uns wahrnehmen. Diese Sehnsucht in uns, was die Bibel Ewigkeit in unseren Herzen nennt, lässt uns eine höhere Wirklichkeit erahnen und ist der Impuls für unsere Suche, die Augustin von Hippo einmal wie folgt charakterisiert hat: „Zu dir hin sind wir geschaffen und unser Herz ist unruhig, bis es Ruhe findet in dir.“ Unser Sein zielt also auf die Beziehung mit dem, der uns geschaffen hat, von dem wir stammen und der uns besser kennt als wir uns selbst. Und hierin ist die große Überraschung bei der Suche nach dem Sinn des Seins: Die Antwort findet sich nicht in einem Konstrukt, einer Ideologie oder einem religiösen Dogma, sondern in einer Beziehung, die unserem Bedürfnis nach Liebe entspricht und doch über alles Zwischenmenschliche hinausgeht, weil Vollkommenheit keine Leere zurücklassen kann. Die Beziehung zum Unbegrenzten geht über Wissen und Erkenntnis hinaus und weist keine zeitliche Grenze auf. Dass dieses Leben sich nicht in unserem Sein auf der Erde vollends erschließen kann, sondern über Zeit und Raum hinausreicht, hat Ludwig Wittgenstein treffend zusammengefasst: „An Gott zu glauben bedeutet zu verstehen, dass das Leben einen Sinn hat… Dieser Sinn liegt nicht im Leben selbst verborgen, sondern außerhalb.“

Die Besonderheit des Neuen Seins

Die Beziehung zu Gott als letzten Grund unseres Seins impliziert eine essentielle Veränderung unseres Seins: „Wenn man völlig darauf verzichtet hat, aus sich selbst etwas zu machen, dann wirft man sich Gott ganz in die Arme und das ist Glaube.“ – so Dietrich Bonhoeffer aus dem Gefängnis kurz vor seinem Tod. Glaube meint weder eine bloße Bejahung der Existenz Gottes noch eine Beziehung zu ihm als loser Kontakt, sondern durch die Begegnung mit dem Unendlichen leuchten alle eigenen Lebenspläne in einem anderen Licht auf. Die Negie-rung der Selbstverwirklichung führt zu der Erkenntnis, auf Gott geworfen und von ihm abhängig zu sein. Und doch ist es gerade jene grundlegende Beziehung, die uns von allen bis dahin gelebten Abhängigkeiten entbindet. Die Begegnung mit dem lebendigen Gott führt zu wirk- licher Freiheit, die nicht mit Verantwortungslosigkeit zu verwechseln ist, sondern gerade zur Verantwortung herausfordert, da wir nicht nur einen neuen Blick auf uns selbst, sondern auch auf unsere Mitmenschen und die Wirklichkeit erhalten. Sich Gott anzuvertrauen, sich ihm in die Arme zu werfen bedeutet eine neue Perspektive zu erhalten und eine lebendige Beziehung, die zur Verantwortung inspiriert und herausfordert.

Das ungelüftete Geheimnis des Seins

Und dennoch: Was helfen eine persönliche Beziehung zu Gott, die Gewissheit, ewig zu leben und eine erfüllende Aufgabe für das eigene Leben gefunden zu haben, wenn wir doch den Sinn der Welt nicht zu ergründen vermögen, wenn ungeklärt bleibt, warum das Universum als solches überhaupt existiert? Es ist tatsächlich eine ungeklärte Frage, die bleibt, denn wir wissen nicht um Anfang und Ende der Welt, ihren Ursprung und ihr Ziel. Das Sein behält sein letztes Geheimnis für sich. Auch die Bibel beantwortet diese Frage nicht: Sie berichtet vom Beginn bis zum Ende der Welt und doch vermag sie der Vernunft keine überzeugende Antwort auf die Frage nach dem Sinn der Welt zu geben. Aber sie verweist auf den, der die Antwort weiß, weil er die Welt ins Leben rief, und auf das Vertrauen, das wir zu ihm haben dürfen.

Es wird eine letzte Antwort geben, aber nicht in diesem Leben, wie Wittgenstein meint: „Die Lösung des Rätsels des Lebens in Raum und Zeit liegt außerhalb von Raum und Zeit.“

Die Leichtigkeit des Seins

Wer mit Gott durch sein Leben geht, vermag zwar nicht den Weltzusammenhang in seiner Komplexität und Ganzheit zu erklären, denn das vermag der Erfinder allein, aber er lernt den immer besser kennen, der ihn geschaffen hat und lebenslang bei ihm und für ihn ist. Sich in Gott gegründet zu wissen, wischt nicht alle Probleme weg, aber führt zu einer entlastenden Leichtigkeit durch die  Gewissheit, das Leben nicht allein bestreiten zu müssen, auf dieser Welt richtig zu sein und sich darauf freuen zu dürfen, dass mit dem Tod das Leben nicht zu Ende ist, sondern das Beste erst noch vor uns liegt.

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