Wenn die Freude fehlt

Leon liegt im Bett. 3 Uhr nachts. Er kann nicht schlafen. Die Gedanken hören nicht auf. Er fragt sich, warum er weitermachen soll. Alles läuft irgendwie schief. Er kann sich nicht konzentrieren. Eine wichtige Prüfung steht an, durch die er nicht wieder durchfallen darf. Seine Freundin hat ihn vor einer Woche verlassen. Er fühlt sich einfach müde und leer und das bereits seit Wochen. Was kann Leon und anderen Menschen in dieser Situation helfen? Und welche Rolle kann der christliche Glaube dabei spielen?

Vier Millionen Deutsche leiden wie Leon an einer behandlungsbedürftigen Depression (Stiftung Deutsche Depressionshilfe). Keiner weiß genau, wie häufig die Betroffenen sich anhören müssen, dass sie doch nur extra Urlaub auf Kosten der anderen nähmen oder sich doch nur am Riemen reißen müssten. Wer sich intensiv mit der Thematik „Depressionen“ beschäftigt, wird jedoch schnell feststellen, dass solche Aussagen mehr als fahrlässig sind. Aber was steckt hinter den Krankschreibungen und der Antriebslosigkeit? Was machen Depressionen aus einem Menschen und wie können wir damit umgehen?  

Was unterscheidet eine Depression von einer normalen Traurigkeit?

„Ich würde sie“, die Depression „damit vergleichen, dass mir total schlecht ist, richtig sterbenselend. Stell dir vor, dir ist hundeübel. [...] Stell dir das einfach mal vor, eine Übelkeit, die sich bis ins kleinste Stück von dir ausbreitet, bis in die Stücke der Stücke. Und am Ende ist dein ganzes [...] Wesen von nichts anderem als dieser Übelkeit geprägt: Du und die Übelkeit, ihr werdet ‘eins‘, wie man so sagt. [...] Die beste Methode, die Üble Sache zu bekämpfen oder ihr zu entkommen, wäre natürlich, anders zu denken, zu argumentieren und zu diskutieren, die Dinge schlicht und einfach anders wahrzunehmen, zu spüren und zu verarbeiten. Aber dafür brauchst du deinen Kopf, deine Gehirnzellen mit all ihren Atomen, deinen Verstand und das alles, du brauchst dein Selbst, und genau das hat die Üble Sache lahmgelegt, genau das funktioniert nicht mehr. Genau da ist dir übel, und zwar so übel, dass du einfach nicht mehr auf die Beine kommst“, so der Philosoph und Schriftsteller David Foster Wallace über die Depression (Spiegel 16/2015). Wallace veranschaulicht hier mit dem Bild der unbegrenzten Übelkeit, in welcher ausweglosen Lage sich ein depressiver Mensch befinden kann. Es geht dabei nicht nur um den Verlust eines Arbeitsplatzes oder eines geliebten Menschen. Die Lebensfreude ist verschwunden und kommt ohne Hilfe nicht wieder.

Die Erscheinungsformen der Depression sind vielfältig, jedoch lassen sich nach dem Psychologen Lee H. Coleman  und anderen Experten sieben Symptome nennen. Wenn eine traurige Stimmung, Interessenverlust, Antriebslosigkeit, Denkstörungen, Veränderungen des Appetits, Schuldgefühle und Selbstabwertung, Isolation sowie Todes- und Suizidgedanken länger als zwei Wochen dauern, sollten die Betroffenen professionelle Hilfe aufsuchen. Im Vergleich zu normalen Trauerenden haben depressive Menschen aufgrund ihrer besonders verzerrten Wahrnehmung große Schwierigkeiten, mit Problemen und Verlusten umzugehen. So übernehmen sie Verantwortung für Dinge, die sie eigentlich nicht zu verantworten brauchen. Kleine Probleme erscheinen in ihren Augen als überwältigend. Im schlimmsten Fall kann es zum Suizid kommen, wenn Hoffnungslosigkeit, Schuldgefühle und Selbsthass überhandnehmen.
Depression 600© stockphoto-graf – Fotolia.com

Unbedingt eine fachgerechte Behandlungsmöglichkeit wählen

Die traurige Stimmung, der Interessenverlust, die Schuldgefühle und die anderen Symptome müssen ernst genommen werden. Ein depressiver Mensch ist kein Schwächling oder Faulenzer. Eine Depression kann jeden treffen, egal, wie alt der Mensch ist, welchen gesellschaftlichen Status er hat oder ob er überzeugter Christ oder Atheist ist. Ein Wechselspiel von genetischen, biochemischen und psychischen Einflüssen begründet die Depression, sodass einfache Erklärungen und Schuldzuweisungen unangebracht sind. Eines steht jedoch fest: Aus eigener Kraft können sich Leon und die anderen nicht von der „Üblen Sache“ befreien. Es bedarf einer fachgerechten Behandlung, die die Erfolgschancen immens verbessert. Das Spektrum an Behandlungsmöglichkeiten ist dabei sehr breit. Depressive Menschen sollten mit Ärzten und Psychotherapeuten eine individuelle Therapie herausarbeiteten, die eine Psychotherapie, Medikamente und andere Methoden umfasst. Bei einer angemessenen Therapie kommen die Betroffenen bereits nach 8 Wochen langsam wieder auf die Beine.

Die positive Wirkung des christlichen Glaubens

Die Depression lässt sich meist mit einer fachgerechten Behandlung gut bekämpfen. Der christliche Glaube und die Anteilnahme vertrauter Menschen können dabei helfen. Studien zeigen, dass gläubige Menschen im Allgemeinen weniger depressiv werden als Atheisten. Jedoch können verschiedene Faktoren ebenso Christen depressiv machen, selbst dann wenn sie ihren Glauben ernst nehmen. Allerdings unterstreichen hier unterschiedliche Studien, dass der Verlauf der Erkrankung milder abläuft, die Wahrscheinlichkeit eines Suizids geringer ist und die Betroffenen eher geheilt werden, wenn sie an Gott glauben (Bucher: 2014; Koenig, King & Carson: 2012).

Worin liegen nun aus psychologischer und theologischer Sicht die Gründe höherer Heilungschancen? Für Christen ist der Glaube eine „Ressource“. Sie ermöglicht ihnen, einen positiven Selbstwert aufzubauen, sich gegenüber anderen stärker zu öffnen und Verantwortung gegenüber sich selbst sinnvoll wahrzunehmen. Wer kann davon profitieren? Jeder! Nicht wenige Menschen laufen tagtäglich mit einem negativen Selbstbild durch die Straßen und nehmen die Welt dabei als leer, kalt und sinnlos wahr. Häufig fehlt ihnen der Rahmen und die Zeit, sich mit den Dingen, den Menschen und sich selbst angemessen zu beschäftigen. Es mangelt oft am Feedback und tiefer gehendem Widerhall. Der christliche Glaube kann hier helfen, einen anderen Weg zu gehen. Grundsätzlich können Christen ihre positiven Selbstwert durch die Beziehung zu Gott gewinnen. Sie können erfahren, dass Gott sie unabhängig von äußeren Umständen liebt. Dadurch müssen sie sich nicht an äußeren Leistungsmaßstäben messen. Der niederschmetternde Vergleich zwischen Ist- und Soll-Zustand braucht sie nicht zu er-drücken. Der Glaube an einen personalen Gott und das Gebet können Christen davor bewahren, sich vollkommen allein und isoliert zu fühlen, und sie so vor unnötigem Leid und Suizid schützen. Nach christlichem Glauben muss jeder Mensch sein persönliches Handeln und seine damit einhergehende Schuld vor Gott verantworten. Dies kann zu großen Sorgen führen. Gott aber lässt den Menschen dabei nicht allein. Er überfordert ihn nicht. Vielmehr vergibt er die eigenen Sünden durch den Tod und die Auferstehung Jesu Christi. Dies macht frei von Schuldgefühlen und schenkt inneren Frieden, der Freude trotz Leid ermöglicht. Es gibt so mehr als die eigenen Sorgen über die „Üble Sache“. Gemeinsam mit vertrauten Menschen aus dem Kreis der Familie, der christlichen Gemeinschaft oder dem Freundeskreis können Leon und andere so die Hoffnung auf ein sinnerfülltes Leben zurückgewinnen.

Gott will uns nicht überlasten, sondern vielmehr vergeben. So trägt er dazu bei, die „Üble Sache“, die Leon und andere Erkrankte gefangen nimmt, zu besiegen: „Lobe den Herrn, meine Seele, und alles, was in mir ist, seinen heiligen Namen! Lobe den Herrn, meine Seele, und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat! Der dir alle deine Sünden vergibt und heilt alle deine Gebrechen; der dein Leben vom Verderben erlöst, der dich krönt mit Gnade und Barmherzigkeit“ (Psalm 103, 1 – 4).

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