„Alle sind Brüder!“ – Henry Dunants Einsatz für die Menschlichkeit

Mit dem Aufruf „Alle sind Brüder!“ mobilisierte Henry Dunant 1859 nach der Schlacht von Solferino freiwillige Helfer für Kriegsverwundete verschiedenster Nationalität. Die Folgen seines unermüdlichen Strebens nach einer mitmenschlicheren Gesellschaft sehen wir heute noch, beispielsweise im Engagement des internationalen Roten Kreuzes.


Henry2© Boissonnas / DRK GSHenry Dunant wird 1828 als erster Sohn einer wohlhabenden Kaufmannsfamilie in  Genf geboren. Er wird von seinen gläubigen Eltern im Sinne des Calvinismus erzogen und begleitet seine Mutter schon als kleiner Junge bei der Armenfürsorge in die Elendsviertel der Stadt. Obwohl er selbst gut versorgt lebt und nie Hunger leiden muss, prägen ihn diese Besuche bei Armen, Kranken und Sträflingen sehr. Früh schon zeigt er sich besorgt um das Schicksal sozial Benachteiligter und Kranker – eine Sorge, die ihn bis zu seinem Tod nicht loslassen sollte.

Als Jugendlicher beginnt Dunant eine Ausbildung als Bankkaufmann und wird schließlich Angestellter einer Genfer Bank. Wichtig ist ihm in dieser Zeit auch das gemeinsame Bibelstudium mit Freunden. Mit 21 Jahren gründet er die „Donnerstags-Vereinigung junger Männer“, regelmäßige Treffen junger Christen, die sich neben dem Bibelstudium auch praktisch für Kranke und sozial Bedürftige engagieren. Diese zuerst nur auf Genf begrenzte Vereinigung wird wenige Jahre später eine der Gruppen sein, aus denen der internationale „Christliche Verein Junger Männer“ – der CVJM – hervorgeht.

Neben seinem ehrenamtlichen Engagement arbeitet der junge Schweizer als erfolgreicher Kaufmann. Auf einer Dienstreise nach Algier, einer französischen Kolonie, kommt Dunant eine Geschäftsidee . Um die Genehmigung für sein Unternehmen zu erhalten, plant er, persönlich bei dem französischen Kaiser Napoleon III. vorzusprechen. Er reist nach Oberitalien, wo der französische Kaiser mit seinen Heerestruppen Italien im Unabhängigkeitskampf gegen Österreich unterstützt.  Dort kommt es am 24. Juni 1859 zu einem Erlebnis, das Henry Dunant für den Rest seines Lebens prägen wird: Bei der italienischen Stadt Solferino findet der 31-Jährige nach Abzug der Truppen ein Schlachtfeld mit 40.000 Verwundeten und Sterbenden vor und ist tief erschüttert. Österreicher, Italiener, Franzosen – hilflos wurden die schwer verwundeten Soldaten von ihren Kameraden zurückgelassen. Ohne zu zögern, organisiert Dunant spontan Hilfstrupps aus Einwohnern und Touristen. Freiwillige tragen Hunderte von Verletzten in die nahegelegenen Kirchen, verarzten sie notdürftig und spenden den Sterbenden Trost. Verzweifelt angesichts der wenigen Ärzte für die zahlreichen Verwundeten, verlangt Dunant bei der französischen Heeresführung die Freilassung der österreichischen Ärzte. Erfolgreich – dem entschiedenen Fordern Dunants wird stattgegeben.

Henry boxTrotz des unermüdlichen Einsatzes vieler Freiwilliger sterben die meisten der Soldaten. Dunant sieht die Notwendigkeit einer organisierten Hilfe für Kriegsopfer. 1861 schreibt er die Erlebnisse unter dem Titel „Eine Erinnerung an Solferino“ nieder. Das Buch, das er auf eigene Kosten drucken lässt, fasst das erlebte Grauen von 1859 zusammen und beschreibt seine Vision einer internationalen und neutralen Hilfsorganisation. Sein Werk sendet er an führende Persönlichkeiten von Politik und Gesellschaft. Dunants enthusiastisches und unermüdliches Auftreten zeigt Erfolg: Weltweit sorgt seine Schrift für Aufsehen und 1863 wird die „Genfer Gemeinnützige Gesellschaft“ gegründet, aus der später das Rote Kreuz hervorgehen wird.

Doch dies sieht Dunant nur als Teilerfolg auf dem Weg zu einer karitativen, also von Nächstenliebe geprägten Weltgemeinschaft. Sein Denken bezieht sich stets auf das große Ganze. Nach dem Konkurs seines Unternehmens in Algier lebt er in Armut und Zurückgezogenheit und wird  von der Gesellschaft gemieden. Da alle Versuche, sich eine neue Existenz als Unternehmer aufzubauen, scheitern, ist er nun selbst auf Hilfe und finanzielle Unterstützung von Freunden angewiesen. Trotz seiner eigenen Not treibt ihn weiter die Sorge um das Menschheitsschicksal um. So propagiert er die Vision eines jüdischen Staates in friedlicher Koexistenz mit den arabischen Nachbarvölkern. Er entwickelt die Idee einer für jeden zugänglichen Weltbibliothek und die eines internationalen Schiedsgerichtes. Darüber hinaus tritt er für die Rechte von Kriegsgefangenen ein.

Eine späte Würdigung seines Engagements erfährt der Rotkreuzgründer im Alter von 73 Jahren: Nachdem der gesundheitlich geschwächte und finanziell ruinierte Dunant inzwischen weitestgehend in Vergessenheit geraten ist, wird er 1901 gemeinsam mit dem Pazifisten Frédéric Passy mit dem erstmals in diesem Jahr verliehenen Friedensnobelpreis ausgezeichnet.
1910 stirbt Henry Dunant im Alter von 82 Jahren im Schweizer Kurort Heiden. In einem Brief, der seinem Testament beigelegt ist, schreibt der Nobelpreisträger in tiefer Demut und Bescheidenheit: „Ich bin ein Jünger Christi wie im 1. Jahrhundert, sonst nichts.“

Viele seiner Zeitgenossen sahen in Henry Dunant einen Phantasten mit weltfremden und utopischen Ideen, der nach Anerkennung strebte. Mit seinem unerschütterlichen Willen, seiner Kompromisslosigkeit und seinem visionären Weitblick gelang es ihm jedoch, viele seiner Ideen ins Rollen zu bringen. Das Rote Kreuz ist heutzutage eine weltweite Organisation, die mit Rettungsfahrzeugen, Blutspendediensten und ihrer Hilfe in Krisengebieten aus unserer Gesellschaft nicht mehr wegzudenken ist.

Henry Dunant hatte stets den Menschen, den Leidenden und Hilfsbedürftigen im Blick. Obwohl er auch privat immer wieder mit Leid und Krieg konfrontiert wurde und daran fast zerbrach, gab er die Hoffnung auf eine sozial gerechtere und friedliche Zukunft nie auf. Seine Kraft schöpfte er aus seinem tiefen persönlichen Glauben an Jesus Christus. Sein Leben und Wirken machen Mut, an der Überzeugung festzuhalten, dass auch heute das Handeln eines jeden Einzelnen Spuren hinterlässt, auch wenn es zunächst vergebens erscheint. Unser Auftrag ist es, die Liebe Gottes an unsere Mitmenschen, die unter den Folgen sozialer Ungerechtigkeit und Krieg leiden, weiterzugeben.  Dunant, der sich selbst stets nur als „Werkzeug in der Hand Gottes“ bezeichnete, drückte es vor über 100 Jahren so aus: „Nicht schlafen sollt ihr! […] Ja, es gilt zu ringen, ringen mehr denn je, denn der Kriegsgott ist nicht tot! […] Warum sammeln sich nicht alle aus den Völkern und Nationen zu einem heiligen Kreuzzug der Menschlichkeit!“

Henry1© DRK GS

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