Hat die Wissenschaft Gott begraben?

Ein Atheist von Weltruhm

Antony Flew war nicht irgendwer, sondern immerhin einer der renommiertesten Atheisten des 20. Jahrhunderts. Er war über Jahrzehnte lang radikaler Vertreter einer darwinistischen materialistischen Philosophie, die Gottes Existenz ablehnt und u.a. Leuten wie Richard Dawkins den Weg ebnete. In seinen Büchern vertrat Flew die These, man müsse Atheist sein, solange man keine hinreichenden Belege für die Existenz Gottes habe. Und er ließ nicht locker und setzte sich mehr als kritisch mit den Spuren auseinander, die Gläubige für Gott ins Feld führen. Seine Konversion zur Gottgläubigkeit im Jahr 2005 erregte dementsprechend großes Aufsehen. Dass es einen Gott gebe, war für Flew letztlich eine Frage der wissenschaftlichen Hinweise, aus denen man philosophische Schlüsse ziehen kann. Zwei Faktoren waren für ihn entscheidend, mit dem Atheismus zu brechen:
„Der eine war mein wachsendes Verständnis für die Ansichten Albert Einsteins und anderer wichtiger Wissenschaftler, dass es eine Intelligenz hinter all der Komplexität des physischen Universums geben müsse. Der zweite Faktor war meine eigene Erkenntnis, dass die Komplexität selbst – die viel komplexer ist als das physische Universum – nur erklärt werden kann, wenn man eine intelligente Quelle annimmt. Auch die DNS zeigt eine nahezu unglaubliche Komplexität. Dahinter kann nur eine Intelligenz stecken.“

In einem seiner letzten schriftlichen Beiträge äußerte sich Flew kritisch zum Buch „Der Gotteswahn“ von Richard Dawkins, seinem einstigen Mitstreiter:
„Dawkins erwähnt Einsteins wichtigste Folgerung überhaupt nicht: nämlich dass die integrale Komplexität der Welt der Physik ihn davon überzeugt hat, dass hinter den Dingen eine göttliche Intelligenz stehen muss. Wenn dieses Argument auf die Welt der Physik angewendet werden kann, finde ich persönlich es offensichtlich, dass es noch viel bedeutsamer sein muss, wenn man es auf die unermesslich kompliziertere Welt der Biologie anwendet.“

Dieser Wandel Flews, der einst die Gallionsfigur des Atheismus war, brachte und bringt aufrichtige Atheisten immer wieder in Erklärungsnot. Es wurde zwar versucht, Flews Entscheidung als Folge seiner Demenzerkrankung zu deuten, der er zum Ende seines Lebens zum Opfer fiel; übersehen wird dabei, dass er seinen Sinneswandel bereits einige Jahre vor dem Beginn seiner Erkrankung publik machte.
Wissenschaft1© Sergey Nivens - Fotolia.com

Der „Big Bang“

Die wissenschaftlichen Hinweise für die Existenz Gottes beschränken sich natürlich nicht nur auf den Bereich der Biologie oder Physik. Hierfür gibt es auch aus dem Lager der Astronomie starke Argumente. Eines davon hängt mit dem Standardmodell der Kosmologie zusammen, das auch in den jüngsten Forschungsergebnissen immer wieder bestätigt wird (vgl. Spektrum der Wissenschaft 01/2015, S. 10): Der Urknall ist ein wissenschaftlicher Fakt; was ihn so besonders macht, ist die Tatsache, dass er den Ursprung des Universums aus dem Nichts beschreibt: Raum, Zeit, Energie, Materie – all das gab es vor dem Urknall nicht, sondern existiert erst seitdem.

Nun liegt es nahe, dass der erste Grund für Raum, Zeit, Energie, Materie etwas Raumloses, Zeitloses, Energieloses und Immaterielles sein muss, das zudem in der Lage ist, solche Dinge aus dem Nichts ins Dasein zu bringen. Welche Möglichkeiten bieten sich hier? Im Grunde keine, außer die, dass so jemand wie Gott doch existiert. Atheistische Wissenschaftler suchen freilich nach anderen Erklärungen: Der auf diesem Gebiet federführende Physiker Steven Hawking, dessen intellektuelle Leistungen unbestritten sind, schreibt in seinem Buch „Der große Entwurf“: „Weil es ein Gesetz der Schwerkraft gibt, kann und wird sich ein Universum selber aus dem Nichts erschaffen.“ Nicht nur der britische Mathematikprofessor John Lennox (Oxford) erkennt ganz richtig, dass Hawkins mit seiner These die eigentliche Frage keinesfalls löst, sondern nur etwas weiter nach hinten verschiebt: „Die Gesetze selbst schaffen gar nichts, sie sind nur die Beschreibung von etwas, was unter gewissen Umständen passiert“, bemerkt Lennox. „Wie soll die Schwerkraft schon vorher existiert haben? Wer hat sie dahin gebracht? Und was war die schöpferische Kraft für ihre Entstehung?“

Und es gibt natürlich noch andere gute objektive Argumente dafür, die Frage nach Gott nicht sofort zu den Akten zu legen. Keine Beweise, jedoch vernünftige Gründe. Aber mir ist natürlich bewusst: Die genannten Hinweise, die Flew und Lennox ausleuchten, führen noch nicht so weit, dass sie uns den christlichen Glauben nahelegen. Das ist aber auch gar nicht so schlimm, wie ich finde. Es ist ja schon viel gewonnen, wenn jemand ins ernsthafte Nachdenken darüber kommt, ob das mit Gott im Generellen vielleicht doch stimmt.

Trotzdem braucht es nicht unerwähnt zu bleiben: Was die historische Glaubwürdigkeit des christlichen Glaubens anbelangt, so haben wir es nicht mit Hinweisen, sondern mit Fakten zu tun. Das ist mir persönlich sehr wichtig: Denn ein Glaube, der nicht auf Fakten beruht, ist Mythologie. Wäre Jesus ähnlich nebulös wie Zeus oder das Fliegende Spaghettimonster, so wäre es naiv, Christ zu sein bzw. werden zu wollen. Dieses Problem haben Christen allerdings nicht. Jens Schröter, derzeit Professor für Exegese und Theologie des Neuen Testaments an der HU-Berlin, schreibt:

„Historische Jesusforschung kann den christlichen Glauben niemals begründen oder gar seine Richtigkeit beweisen. Sie kann jedoch zeigen, dass dieser Glaube auf dem Wirken und Geschick einer Person [Jesus v. Nazareth] gründet, die sich, wenn auch nicht in jedem Detail, so doch in wichtigen Facetten auch heute noch nachzeichnen lassen. Damit leistet sie für die Verantwortung des christlichen Glaubens in der modernen Welt einen substantiellen Beitrag.“

Im Rahmen dieses Artikels ist leider kein Platz, sich diesem Forschungsfeld, das die Frage nach der (historischen) Glaubwürdigkeit des christlichen Glaubens stellt, zu widmen – es mag aber reichen, wenn der interessierte Leser von seiner Existenz weiß. Und wer sich näher über die Inhalte informieren will, dem seien z.B. folgende Bücher ans Herz gelegt: T. Keller (2014): Warum Gott? Vernünftiger Glaube oder Irrlicht der Menschheit?, J. Lennox (2011): Stephen Hawking, das Universum und Gott oder auch J. Spieß (2013): Jesus für Skeptiker.

Letztlich bleibt die Feststellung: Die Wissenschaft hat Gott nicht begraben – im Gegenteil: Nicht wenige Menschen ziehen gerade aus den Erkenntnissen, die uns die Wissenschaft heute präsentiert und immer wieder neu bestätigt, positive philosophische Schlussfolgerungen hinsichtlich der Existenz Gottes. Nachdenken und Nachforschen sind also nicht nur erlaubt, sondern sogar
erwünscht.

Stephan Lange bloggt auf mitdenkend.de

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