Auf der Suche nach der einen Wahrheit

Was stimmt?

„Na ja”, denken nun manche, „vielleicht ist da ja doch etwas an dieser einen Wahrheit dran – aber: Wenn ich mich mal probeweise auf diesen Gedanken einlasse, wo soll ich denn meine Suche beginnen? Etwa beim christlichen Glauben – und zwar aus dem Grund, weil ich im christlichen Deutschland aufgewachsen bin? Weil meine Eltern Christen sind? Weil mir Leute mal ein Buch vor die Nase gelegt haben und zu mir meinten: ‚Das ist die Bibel und sie ist wahr, weil die Bibel nun einmal wahr ist.‘” Wer diese Sorgen hat, den kann ich nur allzu gut verstehen. Nun würde ich auch niemals sagen, dass man dem christlichen Glauben aufgrund von schlechten oder windigen Gründen den Vorzug geben sollte. Nein, das wäre töricht. Es sollte schon gut begründet sein, warum man sich für das eine und gegen das andere entscheidet. Und ich rede hier auch nur davon, wo man seine Suche nach Wahrheit beginnen und starten kann. Von nichts Weiterem.

Aus meiner Sicht wäre es jetzt viel zu einfach und zu naiv zu antworten: „Fange bei dem Glauben an, der dir am nächsten steht.” Das wäre aus meiner Sicht sogar sehr fatal, eben deshalb, weil diese Begründung eher einem Schuss ins Blaue ähnelt als einer gut begründeten Entscheidung. Aus diesem Grund möchte ich einmal vier rationale Gründe nennen, warum es Sinn ergibt, seine Suche nach Wahrheit beim christlichen Glauben zumindest zu beginnen.
Mamluk impact on JerusalemDSCN4354-2© Yoav Dothan – wikimedia.commons

Grund 1: So einen Gott denkt man sich nicht aus

Die Philosophie und Religionskritik haben im Laufe der Zeit viele starke Agumente dafür vorgebracht, wie sehr wir Menschen uns unsere Götter nach unserem Denken und Willen schaffen. Allen voran ist hier sicherlich Ludwig Feuerbach zu nennen, der den Gottesglauben unter den umfassenden Verdacht gestellt hat, Gott sei nur eine menschliche Projektion. Er konnte sogar plausibel machen, wie sehr unsere Vorstellungen von Gott als einem allmächtigen, allweisen, fehlerfreien, unsterblichen Wesen auf unseren menschlichen Wünschen beruhen, als gäbe es etwas, das eben nicht schwach, nicht beschränkt, nicht irrend und nicht sterblich ist. Gott – oder genauer – unser Gottesbild ist also so ziemlich genau das Gegenteil von dem, was wir sind. Das belegt Feuerbach ziemlich einleuchtend.

Natürlich ist der Hinweis darauf, dass wir uns etwas sehr wünschen, noch kein Beweis dafür, dass es das, was wir uns wünschen, nicht gibt. Aber wer begriffen hat, wie sehr unsere Vorstellungen von Gott mit dem zusammenhängen, was wir denken und uns wünschen, wird kaum anders können, als alle Religion und Theologie einem Generalverdacht zu unterziehen. Alle, bis auf die eine, die sich genau diesem Verdacht entzieht: Denn den Gott, an den Christen glauben, den Gott am Kreuz, den denkt man sich nicht aus: erniedrigt, verhöhnt, leidend, gefoltert, sterblich, sterbend und schließlich tot – den denkt man sich nicht aus, weil man sich ihn nicht wünscht. So plausibel Feuerbachs Religionskritik ist, genauso plausibel ist es, dass der gekreuzigte Gott, der im Zentrum des christlichen Glaubens steht, kein Produkt religiöser Einbildungskraft ist. Dieser – gekreuzigte – Gott ist nur schwer durch Einbildung zu erklären.

Grund 2: Die historische Glaubwürdigkeit der christlichen Botschaft ist überprüfbar

Was meine ich damit? Nun, Christen glauben in erster Linie ja nicht an ein Buch, sondern an eine Person – die Person Jesus Christus. Und über diesen finden wir viele Aussagen: Aussagen über sein Leben, seine Lehre, seinen Tod und seine Auferstehung. Der springende Punkt ist nun, dass es möglich ist, diesen Jesus ernsthaft auf seine historische Glaubwürdigkeit hin zu prüfen. Hat er überhaupt gelebt? Sind die Dinge, die über ihn geschrieben werden, historisch glaubwürdig? Ist es in Wirklichkeit nicht so, dass diese Texte im Laufe der vielen Jahrhunderte verfälscht wurden – absichtlich oder meinetwegen auch unabsichtlich? Vielleicht überrascht es dich, aber der breite Mainstream der historischen Forschung ist heutzutage der Meinung, dass das Neue Testament als historisch zuverlässig einzustufen ist. Das ist kein Geheimnis und kann in universitären Standardwerken problemlos nachgelesen werden (z. B. G. Theißen, Der historische Jesus, Ein Lehrbuch, 2011 oder J. Schröter, Jesus von Nazaret, 2006). Prüfe das gerne nach. Und natürlich weiß ich es auch: An Anti-Jesus-Literatur mangelt es nicht. Diese Tatsache ändert aber nichts an der anderen – bereits genannten – Tatsache, dass der gegenwärtige Stand historischer Forschung mehrheitlich von der historischen Integrität der Lebensbeschreibungen Jesu ausgeht.

Grund 3: Das christliche Angebot versteht sich als ein Geschenk

Und vielleicht überrascht es dich genauso: Christen glauben, dass man sich Gottes Angebot nicht erarbeiten oder verdienen kann und muss – sie sagen sogar, dass man das gar nicht kann. Viel zu oft begegnet mir das Missverständnis, dass es beim Christsein insbesondere um das Einhalten von (den 10) Geboten und Regeln geht: falsch. Christen glauben vielmehr, dass Gottes Liebe ein freies Geschenk für jede/n ist. Die christliche Botschaft lautet, dass wir nicht durch unser Tun erlöst sind, sondern durch das, was Christus für uns getan hat. Man muss hierfür also nichts selbst leisten und keinerlei Voraussetzungen mitbringen.

Ganz häufig begegnet uns bei Religionen folgendes Bild: Da wird ein großes Ziel vor Augen gemalt. Etwas sehr Gutes: der Himmel, das Nirwana, die Erkenntnis. Religionen (und ich nehme die christliche Tradition da gar nicht aus) sind nun zumeist sehr gut darin, dieses Ziel in den goldensten Farben zu malen und uns zu fragen: „Du willst doch dahin, oder? Das schaffst du auch, wir werden dir sagen, wie es geht. Folgende Gebote musst du einhalten, folgende Rituale vollziehen. Und wenn du dich nur immer strebsam bemühst, dann kommst du vielleicht zu diesem herrlichen Ziel.”

Religionen haben es stets gut hinbekommen, diesen Weg aufzuzeigen. Der kann manchmal sehr beschwerlich sein, manchmal auch einfacher. Aber das „religiöse Prinzip“ ist stets das Gleiche. Das Interessante am christlichen Glauben ist, dass er in seinem Kern genau das Gegenteil besagt, nämlich: Nicht wir arbeiten uns zu Gott vor, sondern Gott kommt zu uns herunter. Gott sucht nach uns, er läuft uns hinterher, um mit uns den Kontakt wieder aufzunehmen. Jesus hat uns am Kreuz das Angebot der Sündenvergebung gemacht. Gott will uns, so sagen Christen, das Ticket in den Himmel schenken, wir müssen es uns nicht erarbeiten oder verdienen. Wir müssen es nur annehmen.

Grund 4: Jesus fasziniert sie alle!

Wenn man sich die verschiedenen Religionen näher anschaut, kommt man zu einer erstaunlichen Entdeckung: Jesus fasziniert sie alle! In jeder von ihnen wurde er in ihr religiöses System integriert – und das stets an sehr bedeutsamer Stelle. Das macht ihn einzigartig. Kein anderer Religionsstifter kann das von sich behaupten. Wir finden weder Buddha noch Mohammed noch sonst jemanden in anderen Religionen wieder. Wie ist Jesus in den anderen Glaubenssystemen verankert:

Für viele gläubige Hindus ist Jesus einer der zehn körperlichen Manifestationen Vishnus.
Viele Buddhisten – darunter auch der aktuelle Dalai Lama – sehen Jesus als Bodhisattva an, ein Erleuchtungswesen, das nach allerhöchster Erkenntnis und „Buddhaschaft“ strebt. Für Muslime ist Jesus ein großer Prophet, der (sogar im Gegensatz zu Mohammed) von einer Jungfrau geboren wurde und Wunder vollbracht hat.
Und auch in vielen anderen Religionen (Baha‘i, Deisten, Zeugen Jehovas, Mormonen, Sikhs, New-Age-Bewegung, Unitarier, Religious-Science-Bewegung usw.) kommt Jesus eine bedeutsame Rolle zu.

Jesus fasziniert sie also wirklich alle. Warum ist es aber so, dass wir Jesus, die zentrale Figur des christlichen Glaubens, in so gut wie allen anderen Glaubensrichtungen wiederfinden? Was begeistert die anderen so an ihm? Ich denke, diese Faszination sollte uns aufhorchen und fragen lassen: „Wer ist dieser Mensch? Wer ist dieser Jesus, von dem irgendwie alle sprechen?“ Wie gesagt: Die Lebensbeschreibungen Jesu, die vier Evangelien also, gelten in der einschlägigen Forschung als historisch zuverlässig. Mein Vorschlag zur Güte daher: Lies einmal selbst nach – und frage dich beim Lesen: Wer ist dieser Jesus?

Kommen wir zum Ende und kehren zum Anfang zurück: Glauben wir alle an den gleichen Gott? Die Antwort ist einfach: nein. Das, was daraus folgert, ist ungemein schwerer: Ist dieser Jesus wirklich der, der er vorgab zu sein? Ich kann dich nur herzlich dazu einladen, dieser Frage nachzugehen. Und das Schöne dabei: Es gibt nichts zu verlieren und möglicherweise alles zu gewinnen.

Weitere Artikel von unserem Autor kannst du auf seinem Blog lesen: mitdenkend.de

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