Wenn der Putz bröckelt

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Licht ins Dunkel

Nur der Schöpfer des Menschen kennt ihn durch und durch. Gottes Blick dringt durch alle Farbschichten, die wir aufgetragen haben: hinter Make-up und Lächeln, hinter unseren Zynismus, hinter Erfolg und perfekten Lebenslauf, durch Lügen, die wir anderen über uns auftischen, und durch unseren Selbstbetrug. Er kennt auch die Bereiche in uns, die wir niemandem vermitteln können, Hohes und Abgründiges.

Als der Prophet Samuel im alten Israel im Auftrag Gottes einen Nachfolger für den König suchte, ließ er sich sämtliche Söhne einer bestimmten Familie vorführen. Gott hatte ihm versprochen, ihm den richtigen Thronanwärter zu nennen. Schon gleich beim ersten Mann dachte der Prophet: „Das ist genau der Richtige für diese verantwortungsvolle Aufgabe!“ Alles schien zu passen. Doch Gott verwehrte ihm einen solchen Kurzschluss: „Denn nicht sieht der Herr auf das, worauf ein Mensch sieht. Ein Mensch sieht, was vor Augen ist; der Herr aber sieht das Herz an.“ (1. Samuel 16,7). Und sein durchdringender Blick, der sich nicht von der Fassade blenden lässt, fiel auf David, den jüngsten Sohn der Familie. Als dieser später tatsächlich in Amt und Würden war, erfuhr er Gott auch selbst als denjenigen, der ihn durch und durch kannte. In einem seiner Lieder, die uns in der Bibel überliefert sind, schreibt er:

„Herr, du erforschest mich
und kennest mich.
Ich sitze oder stehe auf, so weißt du es;
du verstehst meine Gedanken von ferne.
Ich gehe oder liege, so bist du um mich  
und siehst alle meine Wege.
Denn siehe, es ist kein Wort auf meiner Zunge,
das du, Herr, nicht schon wüßtest.
Von allen Seiten umgibst du mich
und hälst deine Hand über mir.
Diese Erkenntnis ist mir zu wunderbar
und zu hoch,
ich kann sie nicht begreifen.“
(Psalm 139, 1-6)

Selbst dort, wo der Mensch in tiefster Einsamkeit und Dunkelheit hinter hohen Mauern sitzt, hinter die niemand blicken kann, ist er nicht allein. Gott schaut hindurch. Was findet er dort in unserem hintersten Winkel vor? Was sammeln wir hier, vor den Augen unserer Mitmenschen durch mehr oder weniger gepflegte Fassaden verborgen?  Angst vor dem Tod, notdürftig bedeckt durch zur Schau getragene Lebenslust? Vergangene Verletzungen und Scham? Drückende Schuld und zerstörerische Leidenschaften? Zweifel an unserem Lebenskonzept? Hass und Bitterkeit?

All diese Dinge und noch mehr bleiben im Dunkeln und fressen uns von innen auf. Gott weiß um sie – und liebt uns trotzdem. Nichts, was wir anderen oder ihm vorspielen wollen, beeindruckt ihn. Er wartet nur darauf, dass wir ihm erlauben, Licht in die Finsternis zu bringen.

Geschützte Ehrlichkeit

Das Böse in uns trennt von Gott und von unseren Mitmenschen. Wenn wir es ihm gestatten, in unserem verborgenen Denken und Fühlen aufzuräumen, die Schuld zu vergeben und die alten Wunden zu verbinden, dann werden wir uns nach und nach auch wagen, die Masken abzulegen. Wer sich von Gott durchleuchten ließ, muss sich nicht mehr davor fürchten, dass andere hinter seine Fassade schauen könnten. Der kann ehrlich sein vor Gott und vor dem Nächsten.

masken(c) lnur - Fotolia.comSicherlich, ein Stück Fassade wird noch bleiben, ein Kleid aus Feigenblättern – zum Schutz vor der Bosheit der Menschen und vor Überforderung der Nächsten. Nicht jede wunde Stelle, nicht jede Schwäche muss nach außen getragen und jedem präsentiert werden. Aber wer sich seiner hässlichen Seite gestellt hat und Gottes Vergebung und Liebe erlebt, steht nicht mehr unter dem Zwang, vor anderen glänzen zu müssen. Er muss nicht fortwährend an seinem Image basteln, ist nicht ständig auf der Hut, einige Lebensbereiche und Eigenschaften möglichst gut vor anderen zu verstecken. Jemand, dem vergeben wurde, kann es sich leisten, ehrlich zu sein. Sein Wert hängt nicht davon ab, was andere über ihn denken. Er kann sich endlich darauf konzentrieren, sein Inneres zu pflegen statt nur seine Außenhülle. Und nach und nach wird aus einer künstlichen Fassade eine, die zum Innenleben passt.

Auch dann gibt es immer noch manche Überraschung, die auf Mitmenschen wartet, die sich näher auf eine solche Person einlassen. Aber sie werden sich nicht betrogen fühlen. „…legt die Lüge ab und redet die Wahrheit, ein jeder mit seinem Nächsten…“ (Epheser 4,25), fordert der Apostel Paulus die Christen auf. Wer sich von Gott angenommen weiß und von seiner Gnade lebt, lernt auch, mit der Wahrheit über seinen Nächsten gnädig umzugehen. Wie wohltuend kann eine geschützte Gemeinschaft sein, in der man völlig ehrlich voreinander sein kann! Wo man voreinander Schuld und Schwäche bekennt und gemeinsam damit vor Gott tritt, kommt Licht hinter die Fassade. Die Dinge, die nur in der Dunkelheit und Verborgenheit gedeihen können, verlieren ihre Macht über uns.

Wenn der Putz dann bröckelt… kommt ein begnadigter Sünder zum Vorschein.


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