Erfolgsrezept Religion?

Wir leben in einer unruhigen Zeit: Begriffe wie „Finanzkrise”, „Burn-out” und „Altersarmut” machen die Runde. Die Gesellschaft ist im Umbruch, alte Sicherheiten brechen weg. Der stellvertretende Chefredakteur des Handelsblatts brachte es Ende März folgendermaßen auf den Punkt: „In solchen Zeiten wächst das Bedürfnis nach Orientierung. [...] Vor allem die Religion kann nicht nur Sicherheit, sondern auch Gelassenheit geben. [...] In einer Gesellschaft, die sich [...] von der tröstenden Gewissheit verabschiedet, dass das irdische Leben nicht alles ist, muss genau dieses Leben so sicher wie möglich gestaltet werden. [...] wird zwangsläufig das Diesseits mit nahezu unerfüllbaren Heilserwartungen überfrachtet (Handelsblatt vom 28. März 2013).” Wie aber wirkt sich Religion und Glaube im wirtschaftlichen Alltag aus? Was bedeutet er für den einzelnen? Und wie kann er den Unternehmensalltag prägen?

Wettlauf zur Spitze(c) Spofi – Fotolia.com... Zunächst einmal glauben Christen, dass es einen Gott gibt, der über allem steht; das erleichtert die Orientierung – bietet einen Rahmen, an dem die Vielzahl sonst unabhängiger Lebensbereiche ausgerichtet werden kann. Hinzu kommt eine ebenso klare Jobbeschreibung: die Erde zu bebauen und zu bewahren (vgl. 1. Mose 2, 15). Für diesen Artikel möchte ich den wirtschaftlichen Alltag in drei Bereiche einteilen. Ich möchte beleuchten, wie sich der Glaube und unser Auftrag auf den Umgang mit uns selbst, mit dem Geld und mit anderen auswirkt.

Umgang mit uns selbst

Glaube ist zunächst einmal Sinn stiftend, wir wissen, warum wir etwas tun und für wen  – Arbeit ist somit in jedem Fall mehr als bloßer Broterwerb. Arbeit ist immer auch Berufung, was nicht etwa heißt, dass jede Aufgaben etwas (im weltlichen Sinn) Großartiges ist, sondern vielmehr, dass wir da, wo wir gerade stehen, unser Bestes geben sollen. Es heißt aber auch, dass wir offen sind, an andere Stellen und Aufgaben berufen zu werden.

Jeder Mensch ist für Gott wertvoll, das gilt für mich und alle anderen in meiner Umgebung. Wer sich seines eigenen Wertes bewusst ist, den werfen kurzfristige Rückschläge und Hindernisse nicht aus der Bahn. Es führt auch dazu, dass er sorgsamer mit sich selbst umgeht – ein Beispiel hierfür ist das Sabbatgebot: am siebten Tag zur Ruhe zu kommen. Der Sieben-Tage-Rhythmus passt zum Menschen: einerseits wird die nötige Arbeit erledigt, andererseits bietet er genügend Zeit um wieder aufzutanken. Der Ruhetag bietet darüber hinaus die Möglichkeit, innezuhalten und die eigene Richtung zu überprüfen. Unser Dasein ist endlich und wir können dem Leben nicht mehr Tage geben, aber den Tagen mehr Leben; allein schon deshalb ist es sinnvoll, regelmäßig die eigene Ausrichtung zu überprüfen, um nicht eines Tages anzukommen und festzustellen, dass der Weg der falsche war.

Umgang mit Geld

Wir wissen, dass viele Dinge nicht selbstverständlich sind – Dankbarkeit ist daher einer der zentralen Gedanken, der unsere Einstellung zu materiellen Dingen prägt. Dankbarkeit lehrt den Dingen den richtigen Wert beizumessen und verantwortlich damit umzugehen. Sie lehrt auch, Maß zu halten - das bewahrt zum einen davor, sich im Konsum zu verlieren und schont auf der anderen Seite die Ressourcen der Erde. Allzu leicht wird ein Mensch in unserer immer-mehr-immer-größer-immer-besser-Gesellschaft ein Sklave des Geldes, er arbeitet, um sich dann Dinge zu kaufen, die er nicht wirklich braucht und die ihn auch nicht glücklicher machen. Geld ist nicht dazu da, dass wir ihm dienen; vielmehr soll es uns dienen und wir damit Gott. Geld kann ein wundervolles Werkzeug sein, um die Welt zu gestalten – sie zu bebauen und zu bewahren und damit in anderer Hinsicht zu gewinnen.

Ein gutes Beispiel, wie diese Art von Gewinn ein Unternehmen nachhaltig erfolgreich machen kann, ist das Erzeugernetzwerk UNSER LAND. Der Geschäftszweck ist nicht etwa die Gewinnmaximierung, sondern die „Erhaltung der Lebensgrundlage in der Region für Menschen, Tiere und Pflanzen” (Peter Dermühl, Businessplan Menschlichkeit). Seit seiner Gründung wächst das Netzwerk und Kunden wie Erzeuger profitieren gleichermaßen von seinen sozialen, ökologischenund ökonomischen Standards.

Umgang mit anderen

„Jeder Mensch ist nach christlichem Verständnis auch ein Geschenk Gottes an die Welt”, so brachte es Kardinal Reinhard Marx in einem Gastkommentar für das Handelsblatt (21. Dezember 2012) auf den Punkt und beschreibt damit einen Grundgedanken der christlichen Ethik, der unseren Umgang mit anderen prägt. Zugegeben es gibt einige Menschen, die es einem nicht gerade leicht machen, sie als Geschenk Gottes anzunehmen - doch dann sollte man sich bewusst machen, dass man selbst ebenso wenig perfekt ist und das auch nicht von seinen Mitmenschen erwarten sollte. Jesus fasste es einmal folgendermaßen zusammen: „Was ihr von den Menschen erwartet, das erweist auch ihr ihnen ebenso“ (Matthäus 7, 12). Vielleicht ist heute der Umkehrschluss, „was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem andern zu”, populärer geworden. Jesus Forderung geht jedoch weit darüber hinaus – dem anderen nichts anzutun ist eine Sache, ihm mit Wertschätzung und hilfsbereit zu begegnen eine völlig andere. Der Wert eines Menschen ist unabhängig von seinem Gehalt, seinen Titeln oder Noten – jeder trägt seinen Teil bei und jeder profitiert von den Beiträgen der anderen. Wie bei den Oraganen eines Körpers kann nur Leben gelingen, wenn jedes seine Aufgabe erfüllt.

Wie Wertschätzung und Glauben in einem (christlichen) Unternehmen gelebt werden können, zeigt das Beispiel Adelholzner (Dermühl). Wenn am Zahltag eine Ordensschwester die Runde macht, kennt sie jeden der rund 400 Mitarbeiter mit Namen; zu den großen Kirchenfesten gibt es Geschenke für die Mitarbeiter und auch die Sicherheit der Arbeitsplätze ist gewährleistet. Der Orden, dem das Unternehmen gehört, denkt in weit größeren Zeitdimensionen als sonst in der Wirtschaft üblich, die Bewahrung und Schaffung von Arbeitsplätzen ist dabei einer der Firmengrundsätze. Zudem fließt der Gewinn, jährlich rund 120 Millionen Euro, in karitative Einrichtungen.

Christsein bedeutet nicht, in einer heilen Welt zu leben – oder sich dies einzureden. Christen stehen denselben Herausforderungen gegenüber wie jeder andere, auch in wirtschaftlicher Hinsicht. Wir wissen jedoch, dass es immer jemanden gibt, zu dem wir mit allen Sorgen und Problemen kommen können, der immer für uns Zeit hat – Gott ist nie weiter als ein Gebet entfernt. Wir wissen auch, dass dieses Leben nicht alles ist – wir überfrachten daher nicht das Diesseits mit unerfüllbaren Erwartungen. Und schließlich wissen wir, dass Menschen Fehler machen, dass sie – uns selbst eingeschlossen – immer wieder Vergebung benötigen. Mit diesem Wissen und dieser Zuversicht können wir gelassen ans Werk gehen – Bebauen und Bewahren.

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