Mittags um 12 in Göttingen...

TurmstrasseAngefangen hat alles mit einigen Durchreisenden, die an die Tür der Pfarrei St. Michaels klopften und hungrig nach Geld für etwas zu essen fragten. Die Gemeinde wollte den Menschen gerne helfen. So wurde der “Mittagstisch” eingerichtet. Jeden Mittag gibt es hier nun eine warme Mahlzeit. Wir haben dort Helfer und Gäste getroffen.

Die Turmstraße Nr. 5 ist ein reich mit Graffiti bedachter Bau. Gegenüber: Die Reste der alten Göttinger Stadtmauer. Längst stillen hier nicht nur Durchreisende ihren Hunger. Eine gemischte Szene aus Arbeitslosen, Obdachlosen und Drogenabhängigen sowie einigen Rentnern trifft sich im Mittagstisch. Das führt manchmal zu Problemen. Einige Gäste kommen auch mal mit dem Gesetz in Konflikt. Ein Umstand, der der Turmstraße nicht den besten Ruf eingebracht hat und manche Kritik am Angebot St. Michaels heraufbeschwor. Aber Ralf-Peter Reinke, Leiter des Mittagstisches, erklärt: “Die Menschen waren auch vorher in der Stadt. Nur sonst wurden sie überall vertrieben. Wir vertreiben sie nicht. Das ist eine Folge davon, dass wir kirchlicher Träger sind, der die Leute annimmt, wie sie sind und nicht sortiert.” Die
Situation habe sich auch sehr gebessert. Es sei ruhig geworden, erklärt er. Ein Umstand, der auch dem Einsatz der Polizei zu verdanken sei. Den Gästen des Mittagstisches ist es wichtig, dass die Turmstraße nicht als zwie-lichtiger Ort wahrgenommen wird: “Ich treffe hier Freunde, esse mit ihnen, trinke mit ihnen Kaffee. Und man sollte die Menschen einfach so nehmen, wie sie sind. Die Menschen, die sich hier treffen gehören zur Randgruppe, aber das sind ganz normale Menschen wie du und ich, die einfach nur arm sind”, meint Andrea, eine Besucherin des Mittagstisches.

Dass der Mittagstisch schon seit 1990 jeden Tag öffnen kann, ist auch dem Einsatz vieler freiwilliger Helfer zu verdanken. Im Moment stellen etwa 40 Ehrenamtliche zusammen mit Reinke das Angebot sicher. Besonders für Studenten sei es durch die heutige Studienorganisation leider oft nur noch schwer möglich, kontinuierlich mitzuarbeiten, klagt Reinke. Doch es gibt auch Studierende, die es schaffen, den Mittagstisch mit ihren universitären Verpflichtungen zu vereinbaren. Zu ihnen zählt Maria Brier. Sie studiert Medizin und steht kurz vor dem Physikum. Einmal im Monat hilft sie im Mittagstisch aus.

Nachdem sie nach dem Abi  ein FSJ in Brasilien gemacht hat, sind ihr gesellschaftliche Randgruppen ans Herz gewachsen und so steht sie nun einmal im Monat in der Küche des Mittagstisches von St. Michael. Maria empfindet die Arbeit bei den Armen auch als wertvolle Erdung: “Wenn man studiert, ist man in einem ganz anderen Leben und hat gar nicht so die Perspektive, wie schlecht es einem auch gehen kann. Da lernt man das, was man so die ganze Woche über hat, mehr zu schätzen.” Bevor die Mitarbeiter pünktlich um zwölf die Türen für die Gäste öffnen, versammelt sich das Team kurz und betet für einen gesegneten Mittagstisch und eine gute Gemeinschaft. Dann strömen auch schon die Gäste herein. Viele haben vor dem Haus gewartet. Mit rund 60 Menschen rechnet die St. Michaelsgemeinde an Wochenenden.

Die Stimmung im Speisesaal ist entspannt und freund-lich. Fast wie in einem Schullandheim. Man kennt sich und freut sich alte Bekannte zu treffen. Leicht kommt man miteinander ins Gespräch und in ungezwungener Runde wird bald über dieses und jenes geplaudert. Nur ganz gelegentlich wird es vereinzelt lauter. Aber das irritiert keinen hier. Auch das gehört dazu.

“Nach so einer Schicht ist man schon ziemlich fertig. Schließlich ist man 5 Stunden lang die ganze Zeit im Einsatz gewesen”, berichtet Maria. Aber es ist eine Arbeit, die sie zufrieden macht: “Man hat etwas getan, dass den armen Menschen ganz praktisch hilft.”

Für diesen Einsatz sind die Gäste des Mittagstisches dankbar. Katharina, die regelmäßig zum Mittagstisch kommt, meint: “Die (Freiwilligen, Anm. d. Redaktion) stehen in ihrer Freizeit hier, kriegen nichts dafür und ich finde, da kann man einfach mal Danke sagen dafür und es nicht einfach nur hinnehmen.”

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