Die Last mit dem Laster

Jeder hat sie. Manch einer pflegt sie wie liebgewonnene Haustiere, andere versuchen sie loszuwerden. Jedes Jahr um Neujahr herum nehmen viele sich vor, sie endgültig im alten Jahr zu lassen: Schlechte Angewohnheiten.

Ich führe einen gnadenlosen Kampf gegen meine schlechten Angewohnheiten. Weißt du warum? Ich habe es satt zu scheitern. Ich habe es satt inkonsequent zu handeln. Ich habe es satt kurz nach meinem „Rückfall“ aufzuwachen und vor der Entscheidung zu stehen: versuche ich es erneut mich zu ändern oder gebe ich auf? Aber am meisten habe ich es satt zu tun, was ungerecht, lieblos oder unmoralisch ist. Denn ich tue es und mein Gewissen überführt mich. Und selbst wenn kein Gericht dieser Welt mich dafür verurteilt, empfinde ich eine Schuld, die nicht verschwindet wie ein Kater nach einer durchgezechten Nacht. Aus diesen Gründen bin ich asketisch geworden. Ich meide alles, was mich zu meinen schlechten Angewohnheiten zurückführt. Die hinterlassene Leere fülle ich mit Neuem, das mich ablenkt. Es macht mich zufrieden, wenn diese Maßnahmen Erfolg bringen. Und doch: manchmal fühle ich die kühlen Gitterstäbe meines selbst errichteten Gefängnisses und die Anwesenheit der draußen auf mich wartenden, abgelegten Angewohnheiten. Ist das der einzige Weg, um mit mir selbst im Reinen zu bleiben? Kann ich nicht frei und gerecht sein? Doch zuerst: Was verstehe ich unter schlechten Angewohnheiten? Ich beanspruche nicht perfekt zu sein. Demnach spreche ich nicht von Banalitäten, die, wenn sie passieren, wieder schnell vergessen werden. Nein. Schlechte Angewohnheiten haben Konsequenzen und erzeugen Nöte. Am besten beschreibe ich die dabei auftretenden Symptome.

Es gibt Augenblicke im Leben, in denen wir mutlos sind. Da fühlen wir uns schwach. Unser Tagesablauf und vielleicht auch unsere Wohnung sind ungeordnet und in unserem Herzen sieht es ähnlich aus. Dann verfallen wir in Selbstmitleid und in diesem stillen Kummer beginnen wir unser Leben zu überdenken. Wohin führen uns unsere Gedanken? Oft nur dahin unser Problem klein zu reden – wir hatten halt einen schlechten Tag. Oder jemand anderes hatte Schuld an unserem Unglück. Nicht selten schöpfen wir aber auch Hoffnung aus einem Gelöbnis, uns für die Zukunft zu mäßigen. Und dann überkommt uns eine gewaltige Zuversicht, dass durch den Verzicht von diesem oder jenem alles besser werden wird. Aber dieser Vorsatz hält nicht lange, wie wir wissen. Es folgen Zeiten der Leidenschaft, Zeiten, in denen wir alles wieder vergessen, in denen nur noch das Gefühl zählt, und wir unser Gelöbnis brechen. Und dann wachen wir wieder unglücklich auf, geloben uns erneut nur entschlossener, brechen das Gelöbnis, usw. Bis wir erkennen, dass sich hier ein Zirkel aus Vorsatz und Scheitern gebildet hat: das mag uns zuerst überraschen bis es in uns zu einer  kläglichen Gewissheit heranwächst.

Hier offenbart sich eine Unfreiheit, die in uns steckt. Aber vielleicht ist das nur mein/dein Problem! Vielleicht haben andere ihren freien Willen gemeistert und sind tatsächlich Herr über sich selbst?!

Was sagt denn die Bibel dazu? Sie sagt: Nein! der Mensch ist nicht frei. Im alten Testament beantwortet diese Frage der Prophet Jeremia mit einer Gegenfrage: „Kann ein Schwarzer seine Haut ändern, ein Leopard seine Flecken?“

Das Problem ist, dass wir uns nur all zu gern von Dingen abhängig machen wollen, um Glück zu empfangen. Und leider geraten wir dabei nicht selten in Bindung, die sich nachträglich als unfreiwillig und schädlich anfühlen. Der schlimmste Fall dieser Angewohnheiten ist eine Sucht. Fassen wir also den Vorsatz uns hiervon zu befreien, oder nach mehrmaligem Scheitern aus dem Zirkel auszubrechen, geraten wir zwangsläufig in asketische Denkweisen. Wir versuchen alte Angewohnheiten durch neue zu kompensieren oder wir fliehen geradezu vor Situation, die uns zu einem Rückfall verleiten. Zu diesen Mitteln der Disziplin greift allerdings erst der von sich selbst gedemütigte, der die Knechtschaft als realen Zustand anerkannt hat, aber gewillt ist mit allen Mitteln zu kämpfen. Unser Herz wird durch einen solchen gnadenlosen Kampf nicht verändert, dafür aber gezügelt. Aber sind nicht solche Zügel nichts anderes als eine weitere Verurteilung zur Unfreiheit ohne Garantie wirklichen Schutzes vor den lauernden Versuchungen?

Im Lichte der Gerechtigkeit wird diese Frage verschärft: Wenn es so schwer ist, Angewohnheiten, die uns schaden, abzulegen, wie können wir dann vor Gottes Gericht bestehen, dessen hohe Gebote doch oft unserem Verlangen widersprechen; vor Gottes Gericht, das uns durch unser Gewissen jetzt schon angekündigt wird? Der Apostel Paulus schreibt in einem Brief an eine Gemeinde: „Denn das Gute, das ich will, das tue ich nicht; sondern das Böse, das ich nicht will, das tue ich. Ich elender Mensch!“ Gibt es einen Ausweg aus diesem Elend? Gott sei Dank, ja! In dieser Welt der Bindungen und Gefangenschaften ruft nämlich Jesus Christus hinein mit der einzigen, befreienden Botschaft: dem Evangelium, das unser Herz nicht zügelt, sondern tatsächlich verändert. Er, der seinerzeit Blinde sehend, Tote wieder lebendig und vor Gott Ungerechte wieder gerecht machte, löst auch heute noch als Auferstandener Bindungen derer Menschen, die ihn als Herrn annehmen.

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