Freundschaft ohne Grenzen?!

„Ein Freund steht allezeit zu dir, auch in Notzeiten hilft er dir wie ein Bruder“ (Sprüche 17, Vers 17). Die Bibel spricht immer wieder davon, wie wertvoll ein guter Freund ist. Ein Freund, der fest zu einem steht, wird mit Gold aufgewogen. Aber was tun wir, wenn unsere Freundschaft wirklich einmal auf die Probe gestellt wird?

Schwere Fragen, die mich in den letzten zwei Jahren nicht loslassen: Was hält meine Freundschaft aus? Was tu ich, wenn der geliebte Mensch ein anderer wird? Bin ich eine gute Freundin? Eine meiner besten Freundinnen und ich kennen uns schon seit Jahren. Wir studierten dasselbe Fach an der Uni. Wir unternahmen viel miteinander, fuhren gemeinsam in den Urlaub und halfen uns gegenseitig durch schwere Phasen im Studium und außerhalb davon. Auch als wir nicht mehr in derselben Stadt studierten, riss der Kontakt nicht ab. Sooft es ging, telefonierten wir miteinander, manchmal stundenlang, und besuchten uns gegenseitig.

Schon während des gemeinsamen Studiums war mir bewusst, dass meine Freundin mit psychischen Schwierigkeiten zu kämpfen hatte. Außerdem wusste ich, dass sie deswegen Medikamente nahm. Einmal erzählte sie mir, dass sie gerne irgendwann probieren wollte, das Leben wieder ohne Medikamente zu meistern. Meistens war von ihren Schwierigkeiten nichts zu spüren, aber es gab Zeiten, in denen sie zu kämpfen hatte. Trotz aller Hindernisse schloss sie ihr Studium erfolgreich ab.
Freundschaft 600© savageultralight – shutterstock.com
Einige Zeit nach dem Ende ihres Studiums setzte sie ihren Wunsch in die Tat um und beendete die Einnahme ihrer Medikamente. Allmählich begann sie sich zu verändern. Manchmal war sie am Telefon sehr aufgedreht. Tagelang konnte sie in solchen Phasen nicht schlafen. Zu anderen Zeiten war sie sehr niedergedrückt und jede Bewegung kostete Überwindung. Meistens aus der Ferne musste ich mit anhören, wie ihr der Alltag immer schwererfiel. Ihre Freizeitbeschäftigungen und ihren Nebenjob gab sie auf. Als ich sie einmal besuchte, erlebte ich mit, dass einfache Tätigkeiten für sie zu unlösbaren Hindernissen wurden. Am Telefon konnte sie zeitweise meinen Worten nur noch schwer folgen, weil sie wie aus weiter Ferne zu ihr drangen. Der Freundin, der ich sehr persönliche Dinge anvertraut hatte und die mir immer wieder geholfen hatte, gab es zu der Zeit nicht mehr. Ich selbst verlor eine große Stütze.

Für mich war das Ganze zeitweise schwer zu ertragen. Ich konnte ihr nicht helfen. Häufig diskutierten wir miteinander, weil ich sie dazu bewegen wollte, die Medikamente wieder zu nehmen. Immer wieder betete ich, dass Gott doch etwas ändern sollte. Manchmal schossen mir auch Gedanken durch den Kopf wie: „Gott, warum tust du nichts? Bewirken meine Gebete nichts? Wie viel weiter sollte es noch gehen?“ Irgendwann hatte ich das Gefühl, nicht mehr weitergehen zu können. Aber wie konnte ich als Christ nur daran denken, eine meiner besten Freundinnen in ihrer Situation alleine zu lassen?


Wahre Freunde

Auch in der Bibel wird deutlich, dass der Beistand in schweren Zeiten eine tiefe Freundschaft auszeichnet. Die Gesellschaft treuer Freunde tut gut und richtet auf (Sprüche 27, 9). Freunde wagen es auch, unbequeme Wahrheiten über einen selbst auszusprechen (Sprüche 27,6). Damit helfen sie uns, an uns selbst und unserem Verhalten zu arbeiten (Sprüche 27, 17). Es gibt allerdings nur wenige Freunde, die echte Freunde sind und in allem zu einem halten (Sprüche 18, 24).

Wollte ich zu denen gehören, die sich in schweren Zeiten als keine guten Freunde herausstellten? Eine Freundschaft, die sogar in Todesgefahr standhielt, ist die zwischen David und Jonathan. Ein Schafhirte und ein israelischer Königssohn – ungleicher konnten die beiden nicht sein. Dennoch erwuchs zwischen ihnen bald eine tiefe Freundschaft, als David im Dienst des Königs an den Hof kam.  Im Namen Gottes schlossen sie einen Freundschaftsbund. Er erwies sich auch in den dunkelsten Momenten als tragfähig. Selbst als sich herauskristallisierte, dass David auf dem besten Wege war, einmal den Königsthron zu übernehmen, blieb Jonathan in seiner Freundschaft unerschütterlich. Sein eifersüchtiger Vater wollte den Freund ermorden lassen. Jonathan verhalf aber David zur Flucht und wandte sich damit gegen seinen eigenen Vater. Die Krönung seines Freundes erlebte er allerdings nicht mehr, er fiel zuvor im Kampf. David trauerte tief um ihn.

In der griechischen Übersetzung der Bibel gibt es zwei Worte, die vor allem für Freundschaft bzw. Liebe verwendet werden: Agape und Philia. Im Alten Testament, in dem auch von Davids und Jonathans Freundschaft erzählt wird, wird zur Übersetzung meistens „agape“ verwendet. „Agape“ bedeutet in der Bibel eine göttliche oder von Gott inspirierte Liebe. Diese Liebe erwartet keine Gegenleistung und gibt immer.  Diese Art der Liebe ist eine willentliche Entscheidung, die man jedem Mitmenschen entgegenbringen sollte.

Wenn ich diese Idee von Liebe, die auch David und Jonathan lebten, zum Maßstab unserer Freundschaft nehme, durfte ich mich doch über meine eigenen Situation nicht einmal beschweren, oder? Nach einigen Gesprächen und vielen Gebeten wuchs in mir allerdings eine Erkenntnis: Ich bürdete mir eine falsche Verantwortung auf und suchte auf einer schwachen Grundlage nach Halt. Denn die Bibel sagt uns, dass Gott die Grundlage und die Inspiration der Liebe ist - der Liebe zwischen Gott und uns Menschen einerseits und der Liebe zwischen uns und unseren Mitmenschen andererseits. Wenn eine Freundschaft auf Gottes Liebe fußt, wird sie unverbrüchlich und hält alles aus. Davids und Jonathans Freundschaft stand auf dieser Grundlage. Sie waren in der Lebensgefahr nicht allein.

Dadurch, dass ich nur versuchte mit meiner eigenen Kraft diese Situation zu bewältigen, hatte ich eine tragende Säule unserer Freundschaft aus den Augen verloren. Und mein Freundschaftshaus auf unsicheren Grund gebaut. Es war befreiend zu begreifen, dass ich Gott als Ankerpunkt habe. Als Quelle der Liebe und als jemand unfassbar Größeren als mich, an den ich meine gefühlte Verantwortung abgeben konnte. Ich konnte meine Freundin und mich in seine Hände legen.

Hoffnung für die Zukunft

Ich selbst konnte meine Freundin nicht umstimmen. Nur sie selbst konnte entscheiden, wie sie mit ihrer Lebenssituation umging. Sei es nun mit oder ohne Medikamente. Was ich tun konnte, war, Gott zu bitten, ihr in dieser Lage beizustehen, und - im Rahmen meiner Möglichkeiten - als Freundin für sie da zu sein. Auch wenn es nicht immer einfach war und ich immer wieder damit zu kämpfen hatte, konnte ich in der folgenden Zeit diese „Distanz“ besser bewahren. Den „Rest“, der außerhalb meiner Grenzen und meiner Macht lag, überließ ich Gott. Und lernte, dass Gottes Antwort manchmal nicht „Sofort“, sondern „Später“ lautet. Aber er vergisst nicht.

Nach ungefähr einem Jahr, in dem ein normales Leben für meine Freundin nicht mehr möglich war, entschied sie, dass es so nicht weitergehen konnte und sie Hilfe benötigte. Inzwischen hat sie ihre psychischen Probleme wieder im Griff. Am Telefon hört sie sich wie früher an. Im täglichen Leben kommt sie inzwischen wieder gut klar. Und seit einiger Zeit nimmt sie auch einige ihrer Freizeitaktivitäten wieder auf. Wie lange ihr Weg noch dauert und ob alles genau so wird wie früher, weiß ich nicht. Ich weiß aber, dass Gott trägt. Und dass er dies auch in meiner Freundschaft  zu meiner besten Freundin tut. Auch wenn ich selbst nicht mehr weiter weiß, kann ich mich darauf verlassen, dass Gott  für mich da ist und mir mit seiner Liebe eine feste Grundlage gibt. Dadurch kann ich selbst eine stärkere Freundin sein.

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