Getrennte Wege

Ich und meine Eltern. Du und deine Eltern. Was denkst du, wenn du dieses Bild vor  Augen hast? Was fühlst du, wenn du an deine Beziehung zu deinen Eltern denkst? Fühlst du dich frei oder unter Druck gesetzt? Fühlst du dich unterstützt oder irgendwie überfordert? Geben sie dir Rückenwind oder bremsen sie dich aus?

Unterschiedliche Lebensweisen

Wenn ich über mich und meine Eltern nachdenke, wird mir bewusst, dass ich mein Leben heute ganz anders lebe, als sie es in meinem Alter taten. Ich denke anders über das Leben, zumindest anders, als meine Eltern es damals taten. Meine Eltern haben früh geheiratet, ein Haus gekauft, ausgebaut, nah hintereinander drei Kinder bekommen, ihr Haus verkauft, ein neues Haus gebaut und es zügig abbezahlt. Bevor beide von ihnen 50 Jahre alt  waren, sind die Kinder wieder aus dem Haus gewesen.

Eltern2© psdesign1 - Fotolia.com / © eyetronic - Fotolia.comSie sind schnell auf das Erwachsenwerden und die Gründung einer Familie zugesteuert, ich hingegen nehme mir viel Zeit. Zeit für mich, zum Reisen, zum Studieren. Ich mache Praktika, Auslandseinsätze, gehe feiern und überlege mir gut, wann und wie ich mich festlege. Die Unterschiede zwischen meinem Leben und dem meiner Eltern nehme ich deutlich wahr. Das Leben läuft schneller, doch ich entscheide mich langsamer. Ich möchte unabhängig sein, und doch bin ich bei Entscheidungen froh, meine Eltern anrufen zu können.

Eigene Entscheidungen zu treffen, muss man genauso lernen, wie für diese Entscheidungen Verantwortung zu übernehmen. Vielleicht führt es uns manchmal in eine gewisse Passivität, dass wir uns nicht bewusst von unseren Eltern abgelöst haben. Wir fühlen uns nicht selbstständig genug, einen Flug zu buchen oder ausreichend autonom, eine Wohnung zu mieten, und erst recht nicht selbstsicher genug, die Steuererklärung zu schreiben. Bevor wir uns an Dinge wie diese herantrauen, machen wir erst mal gar nichts. Wir übernehmen weniger Verantwortung, möchten aber mehr erreichen.

Meine Eltern sehen diese Unterschiede auch. „Ich bereue meine Entscheidungen nicht, aber wenn ich heute jung wäre, würde ich einiges anders machen“, sagt meine Mutter. Sie würde mehr in sich investieren, mehr reisen, schreiben und lesen. Wahrscheinlich auch mehr Geld ausgeben, anstatt schnell alles zurückzuzahlen. Sie verstehen meine Lebensweise, auch wenn ihre anders war.

Eltern ehren trotz Stolpersteinen?

Ich spüre Rückenwind durch die Unterstützung meiner Eltern, vor allem durch ihr Gebet. Wie wertvoll das ist, merke ich  an anderen Beispielen in meinem   engsten Freundeskreis. Dort ist der Umgang mit den Eltern nicht so leicht.  Es entsteht Spannung und Unverständnis wegen des Glaubens an Jesus. Andere Wege zu gehen, braucht Mut und kann einiges kosten. In diesem Zusammenhang darf ich beobachten und lernen, was es bedeuten kann, seine Eltern zu ehren. Es kann leichtfallen, wenn sie dich unterstützen und offen für deine eigenen Wege sind. Wie schwierig es ist, wenn Eltern nicht verstehen wollen, nicht akzeptieren und nicht mehr unterstützen, kann man sich manchmal nicht ausmalen. Wie schafft man es, seinen Eltern respektvoll zu begegnen, wenn sie keines deiner Worte ernst nehmen? Wie schaffst du es, sie zu unterstützen, wenn sie dir Steine in den Weg legen? Wie will ich frei sein, wenn ich diesen emotionalen Druck erlebe?

Ablösung

Eine angespannte oder sogar aussichtslose Situation zwischen uns und unseren Eltern kann uns bewusst machen, wie wichtig ein gutes Verhältnis zu ihnen  ist. Es kann uns auf der anderen Seite auch zeigen, dass unsere Eltern eine zu große Rolle in unserem Leben und Denken spielen. Wenn diese aussichtslose Auseinandersetzung mit meinen Eltern mein Handeln mehr prägt, als mir lieb ist, wenn es zur Einengung der eigenen Entscheidungsfreiheit und Entscheidungsfreude kommt, dann könnte es sein, dass dieser Konflikt mich zu sehr beeinflusst.

Eltern3© perunj - Fotolia.com / © burnel11 - Fotolia.comDu möchtest einen Berg erklimmen und wirst durch die Spannung zerrissen, die durch die Anbindung zum Boden entsteht. Die Kunst ist es, aus der kindlichen Bindung zu den Eltern eine freimachende
Verbindung werden zu lassen. Dies ist der Prozess der Ablösung. Wir können unseren eigenen Lebensberg erklimmen und gleichzeitig eine Brücke der Verbindung zu unseren Eltern aufrechterhalten. Es ist meiner Meinung nach entscheidend, dass aus der Bindung eine Ver-bindung wird. Eine Verbindung auf Augenhöhe, mit Respekt auf beiden Seiten. Dieser Respekt lässt einem Freiraum zur eigenen Entfaltung und, wenn nötig, auch zu eigenen Fehlern. Dies ist wohl besonders schwierig für Eltern. Haben sie den Wunsch, ihre Kinder vor allen Fehlern zu bewahren, hindern sie sie letztlich am Leben selbst.

Selbstbestimmt leben!

Gibt es einen Weg, meine Eltern zu ehren und ganz selbstbestimmt meinen eigenen Weg zu gehen? Von Bedeutung ist hierbei, wie wir selber unsere Beziehung wahrnehmen. Fühle ich mich als gleichgestelltes Gegenüber und schätze diese freimachende Verbindung? Wir sollten den Rat unserer Eltern
suchen und schätzen lernen. Es kann eine Hilfe für wichtige Entscheidungen sein. Dabei sollten wir uns bewusst sein, dass wir unsere Entscheidungen nicht unseren Eltern abgeben können. Wir dürfen um Rat fragen, doch entscheiden sollten wir selber – selbstständig. Durch diese Entscheidungen werden wir immer mehr ein Gegenüber auf Augenhöhe für unsere Eltern. Wenn sie merken, dass wir Schritte gehen und einen Entschluss fassen, können sie in diesem Entschluss unterstützen.
Unsere Ziele können zu ihren Zielen werden und unsere Wege durch ihre Unterstützung leichter und schöner. Nicht immer ist es einfach und harmonisch. Auch dann können wir Entscheidungen treffen. Entscheiden wir uns dafür, unseren Eltern auch im Konflikt mit Liebe zu begegnen, schwierige Themen an- und auszusprechen und eine gute Möglichkeit für alle Beteiligten zu finden? Oder gehen wir Streit aus dem Weg, verschließen uns und treffen rücksichtlos eigene Entscheidungen?

Entscheidungen sind wichtig, doch die Art, wie sie kommuniziert werden, ist auch sehr entscheidend!

Julia Seidel bloggt auf glaubensreise.de

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