Gesichter der Verfolgung

Weltweit werden schätzungsweise rund 100 Millionen Christen verfolgt. Sie dürfen beispielsweise ihren Glauben nicht offen ausleben, werden im täglichen Leben benachteiligt oder offen verfolgt. Im schlimmsten Fall droht ihnen Folter und Tod. Seit 60 Jahren hilft ihnen das von dem Niederländer Anne van der Bijl („Bruder Andrew“) gegründete überkonfessionelle christliche Hilfswerk Open Doors. Alina Vogelmann hat mit dem Vorsitzenden des deutschen Zweiges des Hilfswerks, Markus Rode, über seinen Glauben und die Arbeit von Open Doors selbst gesprochen.

Vorsitzender von Open Doors: Marcus RodeVorsitzender von Open Doors Deutschland: Markus Rode

BEDACHT: Können Sie sich bitte kurz vorstellen?

Markus Rode: Ich habe in Göttingen Wirtschaftswissenschaften studiert und danach viele Jahre als Mitglied der Geschäftsführung in einer europäischen Unternehmensgruppe gearbeitet. 2003 nahm ich meine Tätigkeit bei Open Doors (damals noch Offene Grenzen) als Geschäftsführer auf. Ich bin verheiratet und habe zwei Kinder.

Darf ich fragen, wie Sie Christ geworden sind?

Ich komme aus einem christlichen Elternhaus. Für mich war es von Kindesbeinen an selbstverständlich, an Jesus zu glauben. Ich ließ mich in einer Baptistengemeinde taufen, als ich 14 Jahre alt war (Anm. d. Red.: Baptisten taufen Menschen nur, wenn diese sich bewusst dafür entschieden haben.) Mein Glauben war immer ein roter Faden, der sich durch mein ganzes Leben zieht. Später war ich in der christlichen Männerarbeit aktiv und leitete sowohl Alphakurse (Anm. d. Red.: ein Kurs, der es interessierten Menschen ermöglicht, den christlichen Glauben kennenzulernen) als auch die Jugendarbeit. Außerdem war ich in der Gemeindeleitung engagiert.

Wie kam es dann dazu, dass Sie bei Open Doors anfingen?

Verfolgte ChristenIch hatte sozusagen Karriere gemacht. Jahrelang betete ich: „Herr, segne meine Wege.“ Doch ich merkte, dass ich mich als Christ noch stärker engagieren sollte. Deshalb stellte ich mein Gebet um: „Jesus, deine Wege sollen meine Wege sein. Wo kann ich dir mit meinen Gaben besser dienen?“ Ich erlebte daraufhin eine sehr starke Ansprache von Jesus. Dann schickte mir ein Freund die Anzeige über eine offene Position bei „Offene Grenzen“. Mir war damals nicht bewusst, dass so viele Christen verfolgt werden. Ich erhielt die Stelle als Geschäftsführer. Das ist eine Führung, über die ich ganz viel Frieden hatte. Ich bekam einen neuen, ganz weiten Horizont.

Haben Sie für Open Doors auch im Ausland gearbeitet?

Ja, denn für unsere Arbeit ist eine direkte Verbindung zu den verfolgten Christen entscheidend. Open Doors hat organisatorisch zwei Zweige. In den Ländern mit Religionsfreiheit betreiben wir Öffentlichkeitsarbeit, um die Ahnungslosigkeit über Christenverfolgung zu beenden. Denn die Christen brauchen uns, unsere Gebete. Der andere Zweig ist unser Hilfsdienst in den rund 50 Ländern, in denen Christen verfolgt werden. Man kann aber keine Öffentlichkeitsarbeit betreiben, ohne Kontakt zu den verfolgten Christen zu haben. Kurz nach meinem Dienstbeginn, im März/April 2003, kurz vor Ende des Golfkriegs, kam folgende Anfrage: „Markus, möchtest du mit in den Irak, um dort Christen zu besuchen?“ Und ich sagte zu. In Bagdad erlebte ich den Krieg. Die Christen dort erfuhren unseren Besuch als Ermutigung. Sie weinten vor Freude und sagten immer wieder: „Ihr habt uns nicht vergessen.“

In welchen Ländern haben Sie noch Christen besucht?

Zwischenzeitlich war ich dreimal im Irak, zuletzt mit einer Delegation der Bundesregierung, sowie in Bhutan, Malaysia, Nordkorea, Laos, Nigeria, Vietnam und  weiteren Ländern.

Was haben Sie an unterschiedlichen Arten von Diskriminierung und Verfolgung gesehen?

Als ich zuletzt dieses Jahr im Irak war (Anm. d. Red.: gemeint ist 2014), habe ich so viele Menschen gesehen, die fliehen mussten. Die Gräueltaten dort sind kaum mit Worten zu beschreiben. Wir haben ein Netzwerk von Christen, die uns berichten: „Wir haben erlebt, dass Christen von Islamisten nicht getötet, sondern geschlachtet wurden.“ In Nigeria wurden und werden Massaker an Christen verübt. Ich selbst habe vor Massengräbern gestanden. Christen aus Nordkorea berichten von Folter und Schwerstarbeit in den Arbeitslagern. Es gibt Filmaufnahmen, die zu grausam sind, als dass man sie ertragen könnte.

In Vietnam werden Christen verhaftet, weil sie Bibeln verteilen. Einen Pfarrer sperrten sie in ein „Irrenhaus“.  Sie stellten ihn an einen Pfahl und schossen immer wieder knapp an ihm vorbei. In Bhutan führen Christen nachts Gottesdienste durch, da die Polizei jederzeit kommen kann. Generell werden Christen überwiegend in islamischen, aber auch hinduistischen und buddhistischen Ländern wie Bhutan verfolgt; aber auch in kommunistischen Ländern wie Laos und Vietnam.

Wie gehen Sie selbst mit diesen Erlebnissen um?

Ich glaube den Verheißungen von Jesus. Jesus sagte, dass Verfolgung für Christen der Normalfall ist. Sie war schon in der Bibel eine Begleiterscheinung. Und die Härte der Verfolgung wird noch zunehmen. Ich weiß aber, dass Jesus das letzte Wort hat. Er ist mit allen, die zerbrochenen Geistes sind. Jesus ist in diesen Situationen mit uns.

Im Libanon gibt es viele syrische Flüchtlinge. Ein Pfarrer sagte, er hätte nicht gedacht, dass so eine große Erweckung kommt. Muslimische Flüchtlinge kommen in die Gemeinden. Er erlebt es überall und berichtet: „Wir haben viele Muslime, die in Verfolgung zum Glauben an Jesus kommen. In dieser dunklen Zeit erleben wir das in großem Maße.“ Sie kommen durch die Christen zum Glauben, die ihnen helfen. Wir erleben es im Irak und im Iran, wo mittlerweile die größte christliche Gemeinde aus ehemaligen Muslimen besteht. Christen sind dort Salz und Licht. Sie bekennen ihren Glauben und sind dadurch ein starkes Beispiel für Muslime, die auf der Suche nach dem wahren Glauben sind. Es gibt mir Zuversicht, wie sehr Jesus in dieser kaputten Welt wirkt.

Können Sie die Hilfe, die Open Doors bietet, näher beschreiben?

Wir fragen verfolgte Christen immer vor Ort: „Wie können wir euch helfen?“ Über Netzwerke, die wir vor Ort bilden, helfen wir dann entsprechend den Bedürfnissen verfolgter Christen. Wir leisten Nothilfe, Traumaarbeit, verteilen Bibeln, bilden Gemeindeleiter aus und helfen Gefangenen. Außerdem unterstützen wir deren Familien und Familien ermordeter Christen.

Christliche Flüchtlinge in Erbil
Hat sich die Arbeit in Europa ebenfalls verändert?


Früher konnten wir am Ende unserer Sendung „Gesichter der Verfolgung“ auf Bibel-TV unser Hilfswerk noch kurz vorstellen. Heute ist das als „religiöse Werbung“ verboten. Solche Verbote kommen schleichend durch die Hintertür. Durch die Antidiskriminierungsgesetze wird es in Europa immer schwieriger, von der Ausschließlichkeit zu sprechen, dass nur Jesus der Weg, die Wahrheit und das Leben ist. Man wird dann als Christ schnell abgestempelt und mit islamistischen Fundamentalisten auf eine Stufe gestellt. Ich ermutige, nicht einzuknicken und fest im Glauben und im Zeugnis zu bleiben. Religionsfreiheit ist die wichtigste Freiheit, der sich alle anderen Menschenrechte unterordnen. Wenn man nicht mehr seine eigene Entscheidung treffen darf, an wen man glaubt, ist der Rest schon Makulatur. Das ist aber nicht die entscheidende Frage. Übergeordnet ist für mich: Welche Bedeutung hat Jesus für mich? Gibt es etwas, das ich höher bewerte? Verfolgte Christen beantworten diese Frage mit „Nein“ und treten für ihren Glauben ein.

Hat sich Ihre Arbeit auch auf Ihren persönlichen Glauben ausgewirkt?

Auf jeden Fall. Ich habe erlebt, dass meinen Geschwistern, die verfolgt werden, der Glaube das Wichtigste ist und ihnen Kraft gibt. Sie sind sogar bereit, dafür ihr Leben zu lassen. Ich habe mich selbst gefragt: „Wer ist Jesus für mich? Was würde ich in so einer Situation machen?“ Ich weiß es bis heute nicht. Wahrscheinlich bete ich noch zu wenig für das, was ich gesehen und erlebt habe. Es gibt einige Christen, deren Glauben stark genug ist. Aber viele brauchen Ermutigung durch unsere Gebete.

Was können wir hier für verfolgte Christen tun?

Wir können informiert bleiben. Wir bieten hierzu ein kostenloses Magazin mit Gebetsanliegen an, das man über unsere Webseite bestellen kann (www.opendoors.de). Dort kann man sich auch über geplante Veranstaltungen, Aktivitäten und Hilfsprojekte informieren. Es bedeutet sehr, sehr viel für unsere Glaubensgeschwister, wenn wir für sie aktiv werden. Dieses Jahr laden wir anlässlich des 60. Jubiläums zum Open Doors-Tag in die dm-Arena nach Karlsruhe ein (4.und 5. Juli). Dort werden dann auch verfolgte Christen über ihre Situation berichten.

Vielen Dank für das Gespräch.

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