Zuverlässige Flexibilität

Flexibilität ist das Schlagwort unserer Zeit. In nahezu jeder Stellenanzeige wird gefordert, flexibel zu sein. Doch was bedeutet es, wenn dieses Mantra auch unser persönliches Miteinander bestimmt? Überlegungen zu einem modernen Beziehungsphänomen.

„Auf einen guten Freund kann man sich verlassen. Der lässt einen nicht im Stich“. So oder so ähnlich beschreiben viele ein wichtiges Merkmal einer guten Beziehung: Verlässlichkeit. Doch im täglichen Miteinander gerät dieser schöne Wert zu häufig in Vergessenheit. Das Versprechen zum Sonntagskaffee wird kurzfristig abgesagt. Die Hausarbeit, die man eigentlich für einen Kommilitonen lesen wollte, wird weggeschoben mit der Bitte, man solle etwas flexibel reagieren, denn man habe gerade so viel zu tun. Flexibilität einzufordern ist „in“. Wer nicht flexibel ist, ist irgendwie von vorgestern. Dieses Mantra des heutigen Arbeitsmarktes haben wir inhaliert, verinnerlicht und übertragen es kurzerhand auf unsere Beziehungen. Vielfach denken wir gar nicht mehr daran, dass wir unsere Freunde damit enttäuschen, die sich auf uns verlassen haben und die wir nun frustriert und vielleicht verletzt zurücklassen. Und gar zu häufig fordern wir Flexibilität von anderen, weil wir selber sie nicht leben wollen: Uns kommt eine Kleinigkeit zwischen unsere Zusage und anstatt selbst auf die Anforderungen flexibel zu reagieren und irgendwie die Dinge unter einen Hut zu bekommen, ziehen wir unser Versprechen leichtfertig zurück. Wir kümmern uns nicht um eine ordentliche Planung, und wenn es dann ein wenig stressig wird, rufen wir unseren Freunden zu: „Ich bin dann mal weg. Du regelst das schon – irgendwie. Du bist superflexibel. Du machst das schon.“ Diese Flexibilitätsforderung ist in Wahrheit gar zu häufig nichts anderes als eine lachend vorgetragene Rücksichtslosigkeit. Eine, für die man sich vermeintlich nicht zu schämen braucht. Doch denken wir darüber nach, wie es uns selbst damit ginge? Wie würden wir reagieren? Jesus Christus ruft uns dazu auf, das zu bedenken: „So wie ihr von anderen behandelt werden möchtet, so behandelt sie auch“ (Lukas 6, 31).  

Mit dieser Gedankenlosigkeit setzen wir leichtfertig unsere Beziehungen aufs Spiel. Denn oft fangen Beziehungen bereits wegen kleiner Dingen an zu bröckeln. Viele kleine Enttäuschungen durch unser Gegenüber summieren sich auf und lassen unser Vertrauen schwinden. Klar – es kann „mal“ vorkommen, dass man etwas vergisst; es gibt „gute“ Gründe, warum man sich nicht an eine Abmachung halten kann – aber wo ist die Grenze überschritten? Wann wird aus dem „mal“ ein „häufig“, wann wird aus dem „gut“ ein „schlecht“? Jesus lehrte seine Jünger, sich stets um Zuverlässigkeit zu bemühen: „Nur wer im Kleinen ehrlich ist, wird es auch im Großen sein. Wenn ihr bei kleinen Dingen unzuverlässig seid, werdet ihr es auch bei großen sein“ (Lukas 16, 10).

Es ist verständlich, wenn wir auf mangelnde Verlässlichkeit mit Enttäuschung und irgendwann vielleicht auch mit Verbitterung reagieren. Doch Christus ruft uns in dieser Situation zu, trotzdem unserem Gegenüber mit Liebe zu begegnen. Geduldig, freundlich und nicht nachtragend (1. Korinther 13,  4) sollen wir uns auch dann einander zuwenden, wenn wir enttäuscht wurden. Dabei hilft es, wenn wir uns gelegentlich vor Augen halten, dass wir selbst diese Nachsicht auch nötig haben. Die meisten von uns brechen viel zu oft ihr Versprechen und bürden dem Nächsten ungefragt Lasten auf, die wir eigentlich selbst zu tragen zugesagt hatten.

Auch wenn es nicht hilfreich ist, wenn wir unseren Mitmenschen mit überspannten Erwartungen an ihre Zuverlässigkeit begegnen, lohnt es sich, einmal neu über die Verlässlichkeit in unseren Beziehungen nachzudenken. Denn sie ist die Basis dafür, dass ein sicheres Vertrauen entstehen kann und damit tiefe und wertvolle Beziehungen. Viel zu wertvoll, um unsere Beziehungen einem letztlich egoistischen Flexibilitätsmantra zu opfern.
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